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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Kurs sanktionieren – im Gegenteil.

Was vom Apfel übrig blieb
    Die Vielseitigkeit unserer Sprache offenbart sich ganz besonders bei allem, was essbar ist. Und manchmal auch bei dem, was vom Essen übrig bleibt. Für einen abgenagten Apfel zum Beispiel, den man normalerweise achtlos wegwirft, hat das Deutsche mehr Begriffe, als es Automodelle auf unseren Straßen oder Zeitschriftentitel am Kiosk gibt. Lassen Sie sich in ein exotisches Randgebiet der Sprachforschung entführen und staunen Sie über die unerhörte Vielzahl von Wörtern für ein kleines Stückchen Biomüll.
    Die deutsche Sprache steckt voller Wunder und Geheimnisse. Für manche Dinge oder Zustände hat sie kein Wort parat, so wie für das Gegenteil von »durstig« zum Beispiel. Immer wieder fragen sich Menschen, ob es denn kein Pendant zu »satt« gebe. Viel ist darüber bereits geschrieben worden, mehrere Wettbewerbe wurden ausgerichtet, Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Vorschläge wurden abgewogen – und wieder verworfen. Ein Wort für das Gegenteil von »durstig« wurde bis heute nicht gefunden. Für andere Dinge hat unsere Sprache dann wiederum mehr Wörter parat, als man sich träumen ließe. Die letzte Obsternte hatte gerade begonnen, da stellte mir ein Leser die Frage, welche regionalen Begriffe für den Rest des Apfels mir bekannt seien. Also für jenes Gebilde aus Blüte, Stengel (neudeutsch auch: Stängel), Kerngehäuse und restlichem Fruchtfleisch, das vom Verzehr des Apfels (meistens) übrig bleibt und für gewöhnlich im Müll, auf dem Komposthaufen oder irgendwo im Gebüsch landet.
    Als norddeutschem Gewächs war mir selbst bis dato nur die Bezeichnung »Griebsch« bekannt. Doch schon eine interne Umfrage in der Redaktion von SPIEGEL ONLINE förderte mehrere Varianten zutage. Ein Kollege aus Stuttgart rief mir »Butzen« zu, ein Sportredakteur aus Hessen kannte das Wort »Krotze«, und einem Mitarbeiter aus dem Bildressort, einem gebürtigen Hamburger, kam spontan der Ausdruck »Knust« in den Sinn. »Das sagt man doch zum Brotkanten«, wandte ich ein. »In Hamburg sagt man das auch zum Apfel«, beteuerte er. Später wurde mir dies von anderen Hamburgern bestätigt.
    Ich befand, dass die Frage eine tiefergehende Untersuchung wert sei, und rief die Leser meiner Kolumne »Zwiebelfisch« auf, mir per E-Mail ihnen bekannte regionale Begriffe für den Rest des Apfels zu schicken. Die Resonanz war überwältigend. Ein wilder Stier, der mit gesenkten Hörnern einen prallen Apfelbaum rammt, hätte nicht überraschter sein können, so prasselten die unterschiedlichsten, kuriosesten und noch nie zuvor gehörten Begriffe auf mich ein. Hunderte von E-Mails gingen in meinem elektronischen Postfach ein, es dauerte mehrere Tage, sie alle auszuwerten und auf ihren jeweiligen Kern, genauer gesagt: auf das jeweilige Kerngehäuse zu prüfen. Dabei war eine klare Tendenz festzustellen: Im Norden und im Osten dominieren die Ableitungen des Wortes Griebs, im Westen sind es Nüssel (mit weichem »s«-Laut) und Kitsche, in der Mitte Grutze und im Süden Butzen. Dazwischen aber gibt es mannigfaltige Variationen, die teils Abwandlungen der genannten Hauptformen sind, teils auf einen völlig anderen (Apfelbaum-)Stamm zurückgehen. Manche klingen putzig, andere ein bisschen eklig, was dem Charakter des Apfelrestes ja genau entspricht. Die größte Artenvielfalt in Deutschland bietet Nordrhein-Westfalen. Allein aus dem Siegerland wurden mir 17 verschiedene Begriffe gemeldet. Beeindruckend ist auch der Reichtum an Varianten, den man im Land der Schweizer finden kann. Das kann ich mir nur so erklären: Nachdem Wilhelm Tell den Apfel vom Kopf seines Sohnes geschossen hatte, stürzte ein jeder, der den Schuss mit angesehen hatte, auf den zerborstenen Apfel und nahm ein Stückchen an sich, um es zu sich nach Hause in sein Tal zu tragen und ihm einen eigenen Namen zu geben. Während sich die in Deutschland geläufigen Begriffe in männliche (der Griebsch, der Butzen, der Kitsch) und weibliche (die Kitsche, die Kröse, die Krotze) aufspalten, sind die Schweizer Varianten durchgehend sächlich (das Bütschgi, das Gräubschi).
    Neben all den vielen Begriffen brachte die Erhebung auch noch die amüsante Erkenntnis mit sich, dass sich die »Zwiebelfisch«-Leser grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen lassen: nämlich in diejenigen, die den Rest des Apfels wegwerfen, und diejenigen, die den Apfel vollständig aufessen. Viele Leser schickten mir auch gleich noch die in

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