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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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heiße doch nicht Auermanns!« Zum Glück gibt es ja den Apostroph, das ist Christa’s Rettung. Und Herrn Auermann’s auch. Wäre ja auch schlimm, wenn man dem Namen einfach so ein »s« anhängen müsste. Wo kämen wir da hin? Wie sähe das denn aus?
     
    Inzwischen darf der Genitiv-Apostroph zur Verdeutlichung des Namens sein Unwesen sogar mit offizieller Bil-ligung von Duden und Rechtschreibkommission treiben.Und weil für viele Menschen ein »s« so schön wie das an-dere ist, hat der Apostrophenwahn inzwischen auch den Plural erwischt. Bei immer mehr Menschen stehen folglich nicht mehr die Schmidts vor der Tür, wenn Schmidts klingeln, sondern »die Schmidt’s«.
     
    Die Vorstellung, dass Namen nicht angetastet, sprich: orthografisch verändert werden dürften, ist tief im deutschen Bewusstsein verankert. Schade eigentlich, denn diese Vorstellung ist falsch. Auch für den Umgang mit Namen gibt es Rechtschreibregeln. Die sind im Zuge der Reform zwar gelockert worden, sodass die Grimmschen Märchen jetzt auch als Grimm’sche Märchen zu haben sind und ein goethekundiger Mensch sich auch als Goethe-kundig bezeichnen darf, aber die Annahme, ein Name sei unveränderlich, ist genauso falsch wie die Annahme, zwischen Vor- und Nachname dürfe niemals ein Bindestrich stehen.
     
    Viele Kommunen stecken bekanntlich in Geldschwierigkeiten. Daher wird an allen Ecken und Enden gespart. Genauer gesagt an allen Straßen und Plätzen; und zwar nicht nur am Belag und an der Begrünung, sondern auch an Bindestrichen. Dieser Eindruck entsteht, wenn man mal wieder irgendwo auf einem Willy-Brandt-Platz steht und auf dem Straßenschild nur »Willy Brandt-Platz« liest. Auch dem »Heinrich Hertz-Ring« und der »Richard Wagner-Straße« ist das verbindende Zeichen abhandengekommen.
    Viele Menschen glauben offenbar, der Freiraum zwischen dem Vornamen und dem Nachnamen sei eine Tabuzone, innerhalb derer man keine (ortho-)grafische Veränderung vornehmen dürfe. Das ist ein Irrtum. Die Regeln sind in diesem Fall eindeutig: Namen von Straßen, Gebäuden und Institutionen, die aus drei und mehr Teilen zusammengesetzt sind, werden durchgekoppelt. Also Willy-Brandt-Platz, nicht Willy Brandt-Platz (und natürlich erst recht nicht Willy Brandt Platz). Es handelt sich ja nicht um einen Brandt-Platz, vor dem sich irgendein Willy herumtreibt, sondern um einen Platz, der nach Willy Brandt benannt wurde. Der Vorname gehört genauso zum Platz wie der Nachname.
    Diese im Grunde doch ganz simple Erkenntnis will aber längst nicht jedem einleuchten. Selbst Universitäten tun sich damit schwer. Die hochangesehene Humboldt-Universität in Berlin hat bei der Benennung ihrer Gebäude auf den sinnstiftenden Bindestrich verzichtet. So findet man in Berlin-Adlershof das »Johann von Neumann-Haus« und das »Erwin Schrödinger-Zentrum«.
    Mitunter sehen derlei halbherzige Zusammensetzungen eher wie Doppelnamen aus. Würden Sie Ihre Hand dafür ins Feuer legen, dass es sich bei »Bettina von Rath-Halle« und »Dominik Grünwald-Saal« wirklich um Veranstaltungs-räume und nicht einfach um Personen mit einem Doppelnamen handelt? Wird der Name durchgekoppelt, ist jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen: Eine »Bettina-von- Rath-Halle« kann keine Person, sondern nur eine Halle sein.
     
    Die ARD ist auch als »Das Erste« bekannt. Dennoch mutet es seltsam an, wenn eine Ansagerin verkündet: »Und morgen sehen Sie in Das Erste ...« Dass man den Namen auch beugen kann, ohne ihm die Individualität und den Reiz zu nehmen, beweist das Zweite. Denn das ZDF wirbt seit einiger Zeit mit dem doppelsinnigen Spruch: »Mit dem Zweiten sieht man besser«, womit einerseits das zweite Auge, andererseits das zweite Programm gemeint ist. Dieser Slogan wäre überhaupt nicht mehr doppelsinnig, sondern nur noch hirnrissig, wenn er hieße: »Mit Das Zweite sieht man besser«. Wie erfreulich doch, dass man sich beim Zweiten da nicht stur gestellt hat.
    Das größte Brimborium wird mit Markennamen veranstaltet. Im Frühjahr 2005 wirkte ich bei einer Plakatkampagne des Vereins Deutsche Sprache (VDS) mit, der mir kurz zuvor die Ehrenmitgliedschaft angetragen hatte. Der VDS hatte mich um ein Foto und um einen Spruch zum Thema deutsche Sprache gebeten. Ich schlug diesen vor: »Unsere Sprache ist wie eine prall gefüllte Tonne bunter Lego-Steine, die sich immer wieder anders zusammensetzen lassen. Das macht sie so reich und uns alle zu Erfindern.« Der Spruch gefiel dem VDS, und

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