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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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voller Eifer machte man sich an die Gestaltung des Plakats. Um sicherzugehen, dass die Firma Lego gegen die Verwendung ihres Namens keine Einwände hatte, fragte der VDS höflich in der Firmenzentrale nach. Der zuständige Sachbearbeiter, vermutlich ein Jurist, erteilte die Erlaubnis – unter folgenden Bedingungen: Erstens müsse der Name Lego mit einem ®-Zeichen markiert sein, zweitens müsse er in Versalien geschrieben werden, und drittens müsse er isoliert stehen, zwischen dem Wort Lego und dem Wort Steine dürfe kein Bindestrich stehen.
    Die erste Bedingung hätte der VDS noch akzeptiert. Die zweite verursachte den Verantwortlichen schon Bauchschmerzen: Lego in Großbuchstaben? Der Name war ja Teil eines Zitats, und innerhalb eines Zitats gelten die Regeln der deutschen Rechtschreibung. Denen zufolge werden nur Abkürzungen und Abkürzungswörter in Versalien geschrieben und auch nur solche, die man nicht wie ein Wort sprechen kann, sondern durchbuchstabiert. Die Firma KPMG zum Beispiel wird auch innerhalb eines Fließtextes in Großbuchstaben geschrieben, da man jeden Buchstaben gesondert spricht. Die Organisationen Nato, Uno, Esa und Unicef hingegen werden wie normale Wörter geschrieben, also lediglich mit großem Anfangsbuchstaben, da sie auch wie normale Wörter gesprochen werden. Wir sagen ja nicht En-A-Te-O oder U-En-O. Schriebe man Lego in Versalien,müsste man es El-E-Ge-O aussprechen, also Buchstaben für Buchstaben, so wie bei USA und DDR, bei SPD und CDU, bei AGB und DBDDHKP ...
    Die dritte Bedingung, die die Firma L-E-G-O stellte, ließ sich am allerwenigsten mit den Grundsätzen des VDS vereinbaren: Der Verzicht auf den Bindestrich zum nachfolgenden Wort »Steine« hätte einen klaren Verstoß gegen die Regeln der deutschen Orthografie bedeutet. Bei dem Wort »Lego-Steine« handelt es sich um eine Zusammensetzung, und Zusammensetzungen werden im Deutschen entweder zusammengeschrieben oder gekoppelt. Dass ihre Bestandteile unverbunden nebeneinanderstehen, so wie im Englischen oft der Fall, sieht die deutsche Rechtschreibung nicht vor.
    Selbstverständlich darf sich die Firma Lego in ihren eigenen Pressemitteilungen, auf ihren Packungen und in ihren Katalogen schreiben, wie es ihr beliebt. Aber sie darf von anderen nicht verlangen, die Regeln der deutschen Rechtschreibung zu missachten. Schon gar nicht vom Verein Deutsche Sprache. Und da die Firma Lego nicht bereit war, von ihren Forderungen abzurücken, entschlossen wir uns, das Zitat abzuändern und Lego kurzerhand rauszustreichen. »Wie ein Haus aus Steckbausteinen lässt sich unsere Sprache immer wieder neu zusammensetzen. Das macht sie so reich und uns alle zu Architekten.« Das haben die bei El-E-Ge-O nun davon.
    Im Frühjahr 2005 zeigte der »Spiegel« alle Titelseiten, die im Laufe der 55-jährigen Geschichte des Magazins entstanden waren, in einer Ausstellung, die den Titel trug: »Die Kunst des SPIEGEL«. Noch schmerzhafter als die Unsitte, das Genitiv-s zu apostrophieren, ist die Praxis, es gänzlich zu unterschlagen. Denn das brennt nicht nur in den Augen, sondern kribbelt auch noch unangenehm in den Ohren. Der Duden stellt fest, dass das Weglassen der Genitivendungbei Eigennamen inzwischen zwar weit verbreitete Praxis sei, aber nach wie vor unkorrekt. Richtig sei »der Chefredakteur des ›Spiegels‹«, auch wenn der »Spiegel« selbst dies anders handhabe. Wann immer ich an einem Plakat vorbeikam, das auf die »Kunst des SPIEGEL« hinwies, zischte ich es wie eine Schlange an: »Sss! Des SPIEGELS!« Da ich bei der Ausstellungseröffnung vermutlich in einen Zisch-Krampf verfallen wäre, bin ich gar nicht erst hingegangen. »Die Kunst des SPIEGEL« fand ohne Genitiv-s statt – und ohne mich.
     
    Eigennamen sind nicht unantastbar. Als Teil eines Satzes oder einer Wortgruppe werden sie zu Hauptwörtern und haben ein Recht darauf, als solche behandelt zu werden. So weit diese BASTIAN SICK® Kolumne.

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