Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
Vergangenheit Umsatzsteuer-Voranmeldungen ohne Authentifizierung übermittelt.« Ach du lieber Schreck!, denke ich und frage mich: Was bedeutet das? War das eine schwere Unterlassung? Kann man für so etwas ins Gefängnis kommen?
In Fettschrift geht es weiter: » Ab dem 1. Januar 2013 müssen (Vor-) Anmeldungen zwingend authentifiziert übermittelt werden.« Aha, denke ich, ohne im Geringsten schlauer zu sein. Nur dass es um Zwänge geht, habe ich sofort begriffen. Dann folgt die alles erlösende Erklärung: »Das ergibt sich aus der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Steuerdaten-Übermittlungsverordnung in Verbindung mit § 150 Abs. 6 Abgabenordnung.«
Nun ist alles klar. Oder nicht? Ich rätsle noch, was eine »authentifizierte Übermittlung« sein soll. Dank meines Fremdwörterbuchs bin ich zumindest in der Lage, für das griechischstämmige Wort »authentifiziert« die deutsche Entsprechung »beglaubigt« zu finden. Was ein »elektronisches Zertifikat« und »elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale« sind, die am 1. Januar 2013 eingeführt werden, kann ich hingegen nur erahnen. Immerhin wird mir im vierten Absatz klar, dass ich keine Straftat begangen habe. Was sich wie eine Anschuldigung las, sollte offenbar nur eine harmlose Feststellung sein. Das hätte man, mit etwas gutem Willen, auch anders formulieren können. Zum Beispiel so: »Bislang hatten Ihre Voranmeldungen kein spezielles Zertifikat, und das war auch nicht nötig. Aber nun hat sich das Gesetz geändert, und daher bitten wir Sie …« Oh, welch wirklichkeitsfremdes Wunschdenken! Wo doch ein jeder weiß: Behörden bitten nie, Behörden fordern auf! Auf Papier so grau wie dieser Morgen mit seinem Krähengekrächz.
Glücklicherweise kann ich den Wisch ignorieren. Soll sich mein Steuerberater damit befassen. Der wird den Krähen vom Finanzamt schon mitteilen, zu welcher Elster Anmerkung -Gruppe ich gehöre.
Seit jeher ist Beamtendeutsch behäbig, hölzern und schwer verständlich. Dass es dazu kam, ist nicht etwa einem bedauerlichen Unfall zu schulden, sondern geschah absichtlich. Sprache wurde von den Herrschenden stets als Mittel zur Einschüchterung benutzt. Denn je weniger der Einzelne verstand, desto leichter war er zu beeindrucken und somit gefügig zu machen.
Auch wenn es heute bei uns keine Monarchen oder Diktatoren mehr gibt, so ist der Staatsdienst noch immer weit davon entfernt, eine freundliche Serviceagentur des Gemeinwesens zu sein.
Zwar wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen, das Beamtendeutsch zu verbessern – in Hamburg gibt es mittlerweile spezielle Kurse, in denen Behördenmitarbeiter lernen, wie man Formulare und Anschreiben verständlich und »bürgernah« formuliert –, die Finanzbehörde hat daran aber offenbar noch nicht teilgenommen. Wenn sie sich an den Steuerzahler wendet, klingt es noch immer so, als ginge es ihr um Einschüchterung. Auch andere Behörden sind noch weit von dem entfernt, was man unter »verständlich« versteht.
Selbst als studierter Mensch muss man jedes Formular mehrmals lesen, um es zu begreifen. Im vergangenen Jahr erhielt ich einen Umschlag vom Bezirk Hamburg-Nord, der zwei Anträge und einen Stimmzettel zu einem Bürgerentscheid enthielt, in dem es um Abriss und Neubebauung eines alten Wohngebiets ging. Wenn man dafür war, musste man NEIN ankreuzen, war man dagegen, so sollte man mit JA stimmen. Es grenzt an ein Wunder, dass die Bürgerinitiative, die für den Erhalt der alten Häuser eintrat, trotz aller behördlicher Verwirrung am Ende die Mehrheit der Stimmen erhielt. Dass die alten Häuser dennoch abgerissen werden, ist hingegen kein Wunder, sondern schlicht und einfach Politik. Und die spricht bekanntlich immer eine klare Sprache. Wenn Sie anderer Meinung sind, kreuzen Sie JA an.
Das schmeckt aber gut!
Das Leben steckt voller Widersprüche. Als Kind hörte ich oft den Ausruf: »Du bist aber groß geworden!«, heute sagt man mir gelegentlich: »Das ist aber nett von Ihnen!« Warum »aber«? Hatte man etwas anderes von mir erwartet? Grund genug für ein Kapitel ohne Wenn, dafür aber mit ganz viel Aber.
Wann immer Henry ein neues Rezept ausprobiert, stelle ich mich gern als Testperson zur Verfügung. So auch an jenem herbstlichen Freitagabend, als es irgendetwas Pfiffiges mit Pfifferlingen in Pfefferrahmsoße gab. »Mmh, das riecht aber gut!«, schwärmte ich. »Wieso denn ›aber‹?«, fragte Henry skeptisch. »Hattest du etwas anderes
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