Der Deal
waren. Genau genommen waren es auch die ersten echten Beweisstücke, die er in Händen hielt.
Aber man konnte ja nie wissen. Möglicherweise hatte er Glück, und es lief ihm ein freundlicher Techniker über den Weg, also hatte er beschlossen, sie mitzunehmen. Nach seinem Besuch beim Chronicle würde er am Gerichtsgebäude anhalten. Glitsky selbst hatte vielleicht immer noch genügend Interesse an dem Fall, um eine bestimmte Sache heimlich zu prüfen.
Er faltete das Stück Papier zusammen, auf dem er Eds und Erins Hochzeitsdatum notiert hatte, und legte es in seine Brieftasche. Einen Moment lang war er versucht, Cavanaugh anzurufen, um ihm Angst einzujagen – wenn nicht vor Gott, dann vor den Menschen – und dann zuzusehen, was er tat.
Aber nein. Es war besser, eine Falle aufzubauen und ihn hineintappen zu lassen. So mußte er es machen. Cavanaugh hatte mit Sicherheit noch keine Ahnung, daß sich die Schlinge immer fester um seinen Hals zusammenzog. Gerade wegen des Abends, den sie gestern zusammen in der Bar verbracht hatten (Gott, er war wirklich ein vertrauensseliger Mensch!), mußte er doch von seiner, Hardys, Harmlosigkeit überzeugt sein. Und außerdem mußte er denken, daß sein Freund Hardy leicht an der Nase herumzuführen war.
Nun gut, er hatte immer gesagt, daß er vielleicht dumm war, aber an der Nase herumführen ließ er sich nicht. Daß Cavanaugh trotzdem dieses Spiel mit ihm trieb, machte ihn unglücklich. Er war schon von seinem Stuhl aufgestanden und in Richtung Tür losgelaufen, als er wieder stehenblieb. Er hatte drei Waffen in seinem Safe. Aber was wollte er damit, er wollte doch nur Nachforschungen anstellen. Er hatte nicht vor, Cavanaugh zu stellen. Andererseits …
Er drehte wieder um und ging zum Safe.
Für eine Gebühr von zwei Dollar durfte jeder in das Archiv des San Francisco Chronicle gehen und Zeitungen auf Mikrofiche anschauen. Dort waren alle Zeitungen seit der Gründung im Jahre 1865 archiviert.
Hardy interessierte sich für die Woche um den 2. Juli 1961. Auf der Fahrt in die Stadt, mit dem geladenen 38er im Handschuhfach seines Wagens, verwendete er einige Minuten darauf, sich über alle möglichen Eventualitäten den Kopf zu zerbrechen.
Was passiert, wenn nichts in der Zeitung steht? Was passiert, wenn Glitsky nicht da ist? Was passiert, wenn mich bei Gericht niemand die Listen mit den Vorkommnissen der Vergangenheit einsehen läßt?
Er schaltete das Radio ein. Es tat immer noch keinen Pieps, was ihn wenig überraschte, da er noch nichts unternommen hatte, um es zu reparieren. Er wollte nur irgend etwas dudeln hören, um einen Ohrwurm aus seinem Gehirn zu vertreiben. Es war ein alter Schlager, in dem es hieß: »Diesmal ist ihr Schmerz größer als die Liebe zu mir«, und in Hardys Gehirn-Schlagerparade war dieses Lied schon seit zwei Tagen der Nummer-Eins-Hit. Ach, zum Teufel mit dem Radio, dachte er und kehrte zurück zu seinem »Was passiert, wenn …?«
Was passiert, wenn ich in einen Autounfall verwickelt werde? Was passiert, wenn ein Meteor aus den Tiefen des Weltalls auf mich zugeschossen kommt und mich einen halben Kilometer tief in den Erdboden stampft? Nun mußte er doch über sich lachen.
Im Archivzimmer des Chronicle schaltete er jeden weiteren Gedanken des Musters »Was passiert, wenn …?« aus und war nun froh, daß er keine weitere Zeit damit verschwendet hatte. Er mußte nicht zu Glitsky gehen und ihn deswegen um einen Gefallen bitten oder sich durch die vergilbten und modrigen Kopien alter Vorfallslisten bei Gericht wühlen.
Hier stand, was er suchte, auf Seite acht der Montagszeitung vom 3. Juli 1961.
Es war kein großer Artikel. Die meisten anderen Großstadtzeitungen hätten eine solche Nachricht wahrscheinlich nicht einmal erwähnt, aber einer der Vorteile des Gemeindeteils des Chronicle war, daß die ganze Stadt ziemlich gut abgedeckt wurde. Der Artikel lautete:
CALLGIRL IN EINER NOB-HILL-WOHNUNG TOT AUFGEFUNDEN
Die Leiche eines Callgirls wurde gestern abend in ihrer Luxuswohnung in der Taylor Street aufgefunden. Die junge Frau war vermißt worden, da sie sich nicht mehr bei dem Begleitservice gemeldet hatte, für den sie arbeitete. Das Opfer, die zweiundzwanzigjährige Traci Wagner, die erwürgt wurde, hatte seit beinahe sechs Monaten für den Babydoll-Ausgehservice gearbeitet. Die Polizei fahndet nach einem weißen Mann, Anfang bis Mitte zwanzig, der Miß Wagner am frühen Nachmittag in einem dunklen Wagen neueren Modells mitgenommen hat.
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