Der Deal
so war er eben, selbstsicher genug, sich seiner eigenen Schwächen zu erfreuen. Aber er lachte nicht. Vielleicht war er wirklich aus dem Rhythmus, wie er gesagt hatte. Statt dessen seufzte er und starrte wieder aus dem Fenster.
Es gefiel ihr nicht, daß ihn der Tod so mitnahm. Nicht, daß Eddie kein wunderbarer Junge gewesen wäre.
Nein. Vermutlich war er schon ein Mann – gewesen –, obwohl es manchmal schwerfiel, es zu bemerken, wenn sie einem so unmittelbar vor der Nase aufwuchsen.
Aber so war das Leben eben, dachte sie. Ein Jammertal, wie es im Gebet hieß. Eddies Tod war tragisch, kein Zweifel, aber deshalb setzte man sich nicht in ein Zimmer und starrte zum Fenster hinaus. Wenigstens nicht allzu lange.
Das hatte sie gelernt, als Dan im Krieg ums Leben gekommen war. So war das Leben. Es war nicht gerecht. Es war recht tragisch. Aber es war Gottes Wille, und es war nicht an ihr, es zu verstehen. Und das würde sie auch nicht, niemals. Sie würde nur auf Gott vertrauen und daran glauben, daß sie Dan im Himmel wiedersehen würde. Und wenn sie sich nicht am Riemen gerissen und sich gezwungen hätte, mit ihrem Leben weiterzumachen, hätte sie sich vielleicht nie davon erholt. Das schien jetzt alles so lange her zu sein. Die Erinnerung daran, daß sie wirklich gedacht hatte, sie würde es nicht überleben, war merkwürdig. Da war schon noch der Schmerz, aber er war jetzt anders. Und sicherlich würde sie deshalb nicht mehr sterben wollen.
Sie konnte also Pater Cavanaughs Reaktion nachvollziehen. In vielerlei Hinsicht war Eddie der Sohn, den er niemals haben konnte. Und sein Tod war wieder eine Bindung an Erin, die kaputtgegangen war. Sie fragte sich, ob ihn das wohl am meisten getroffen hatte.
Nein, dachte sie. Er war immer noch ein Priester. Er würde sich nicht erlauben, so zu denken, obwohl ein Blinder die Liebe, die er für diese Frau empfand, sehen konnte. Na ja, das konnte man ihm nicht übelnehmen. Erin war eine Heilige, und wunderschön obendrein.
Sie seufzte. »Pater?«
Der Priester wandte sich zu ihr um, schien sie aber nicht mal zu sehen. In seinen Augen lag wieder dieser leere Blick. Nur sie allein sah ihn, wenn er in dieser schlechten Verfassung war. Er verlor sich in Gedanken.
Sie würde versuchen, ihn zurückzubringen, aber langsam, alles zu seiner Zeit. Es hatte keinen Sinn, ihn heute morgen noch weiter zu behelligen.
Sie schloß leise die Tür und ging in die Küche zurück. Für das Mittagessen, dachte sie, werde ich im Laden drüben etwas Corned Beef und ein frisches Roggenbrot kaufen. Am Mittag wird er Hunger haben. Corned Beef auf Roggenbrot wird er nie im Leben stehen lassen.
Erin dachte, daß es für die anderen, mit ihren täglichen Pflichten, leichter sein müßte: Big Ed ging wieder arbeiten, Steven und Jodie hatten ihre Abschlußprüfungen in der Schule, Mick war wieder im Armee-Übungslager, Jim Cavanaugh hatte seine Pflichten in der Kirche. Alle hatten etwas, womit sie sich ablenken konnten.
Sie saß am Frühstückstisch, eine kalte Tasse Kaffee neben ihrem Ellbogen, einen geöffneten Kalender vor sich – den Kalender, nach dem sie ihre Zeit einteilte, um für jeden, der nach ihr fragte, da zu sein. Die Energie brachte sie immer auf. Jetzt schaute sie auf den Kalender hinunter. Langsam blätterte sie zur vergangenen Woche zurück.
All die nicht eingehaltenen Termine. Sieh sie dir nur an. Abendessen mit Ed für Mittwoch-, Freitag- und Samstagabend geplant. Sein Picknick mit Knights of Columbus am Sonntag (und ihr Vermerk »Nudelsalat machen«). Ehrenamtliche Arbeit im St.-Mary- Krankenhaus. Mrs. Ryan zur Physiotherapie bringen. Das Komitee der S.I.-Frauen machte seine jährlichen Hausputz – die Klassenzimmer von St. Ignatius für die Maler vorbereiten, bevor die Sommerkurse anfingen. Auf Lotties Kinder aufpassen, wenn sie und Hal nach Monterey fuhren.
Und das war nur die »offizielle« Liste. Da war außerdem noch die allgemeine Hausarbeit für ihr perfektes Haus. Die Insektengitter mußten angebracht werden. Sie hatte das Springkraut für den Sommer pflanzen wollen. Das Tapezieren …
Sie und Jim Cavanaugh hätten, wie immer donnerstags, ihr Mittagessen gehabt. Obwohl nach dem, was letzte Woche vorgefallen war …
Er hatte sich ja dafür entschuldigt, hatte sie am selben Nachmittag noch angerufen, in niedergeschlagener Stimmung. Aber er schaffte es, wie sonst zu klingen. Was war nur in ihn gefahren, sie küssen zu wollen? Natürlich hatte sie gewußt, daß Jim etwas
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