Der Deal

machen. Mit seiner Frau und den Kindern die Uhr um zwei Wochen zurückstellen und einfach alles sofort für immer anhalten.
    Er kniete auf der an diesem Morgen noch nassen Erde und dachte an das letzte Mal, als er Eddie lebend gesehen hatte, und an die Meinungsverschiedenheit, die sie gehabt hatten. Er wünschte, es wäre nicht so gewesen, wie er auch wünschte, daß alle Ereignisse der letzten Woche nie eingetreten wären – als ob Eddies Tod verhindert worden wäre, wenn alles nur ein bißchen anders gelaufen wäre.
    Die Auseinandersetzung war jedoch nicht von Bedeutung gewesen. Und im allgemeinen kamen Vater und Sohn ja gut miteinander aus. Manchmal übertrieb es Eddie ein wenig mit seiner Intelligenz, das war alles. Er dachte vielleicht, sein Vater wäre ein bißchen zu bodenständig.
    Ed hatte keine Ahnung. Vielleicht war er ein wenig einfach. Doch für ihn schienen die Dinge zu laufen. Was war so schlimm, daß man sich darüber aufregen mußte? Er begriff das nicht. Man machte einfach seine Arbeit, war seiner Frau treu, hielt sich an seine Freunde. Das war es auch schon.
    Ihm war bewußt, daß sich ihm keine schwierigen Probleme stellten. Wie Eddies Problem mit seinem Chef. Das war sicher nicht leicht zu bewerkstelligen gewesen. Vielleicht war der Mann in Schwierigkeiten und rutschte immer tiefer hinein. Aber Big Ed glaubte wirklich, daß das nicht Eddies Problem gewesen war. Wenn es zu ernst geworden wäre, hätte sich Eddie einfach für einige Monate einen neuen Job suchen können, bevor es mit der Schule losgegangen wäre. Es hatte eine Fülle von Möglichkeiten gegeben.
    Alles vorbei.
    Er ging wieder in den Schatten und setzte sich auf einen waagerecht hängenden Zypressenast.
    Eigentlich war er hergekommen, um zu beten, aber aus irgendeinem Grund fiel ihm nichts Gutes ein. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab.
    Oder vielmehr, er erinnerte sich …
    »Was wäre gewesen«, hatte Eddie gesagt, »was wäre gewesen, wenn du in den dreißiger Jahren in Deutschland gelebt und gesehen hättest, was Hitler tat? Wäre dich das etwas angegangen?«
    »Ja, sicher.«
    »Und wo ziehst du dann die Linie?«
    Und er – Big Ed – hatte dort in seinem Souvenirzimmer gesessen, umgeben von den Erinnerungen an das Leben seiner Familie, und hatte gesagt: »Es ist eine Frage der Vernunft. Du überlegst dir, ob es dich treffen wird.«
    »Und wenn du nicht Jude gewesen wärst und einen guten Posten bei der Regierung im Dritten Reich gehabt hättest? Hätte es dich gar nicht getroffen?«
    »Richtig, aber da ging es um das Böse.«
    »Gott gegen den Teufel, was?«
    Big Ed merkte, wie dumm das klang. »Du mußt wohl außerdem überlegen, ob die Angelegenheit wichtig genug ist. Wenn ja, machst du mit.«
    »Und wie wäre es damit, daß man frühzeitig mitmacht, damit die Angelegenheit gar nicht erst wichtig wird?«
    Er mußte einfach lachen, als er daran zurückdachte. Wie hatte er aus ihm diesen edlen Ritter gemacht?
    Er hatte das Thema gewechselt. »Was ist los, ist dir zu Hause langweilig? Hast du nicht genug zu tun?« Es war lustig gemeint.
    Aber Eddie hatte nicht viel Sinn für Humor, wenn es um seine Vorstellung von richtig und falsch ging. Er hatte nicht direkt streng mit seinem Vater gesprochen, aber Big Ed wußte, daß er das Falsche gesagt hatte. »Manchmal«, sagte Eddie, »gibt es einfach Dinge, die du tun mußt, selbst wenn in deinem Leben alles rosig aussieht oder wenn es unangenehm ist.«
    »Ich stimme dir zu«, hatte er versöhnlich gesagt. »Ich sage ja nur, daß du dir überlegen mußt, worauf du abzielst. Wenn du deine Munition beim Übungsschießen verschwendest, hast du kein Glück mehr, wenn du wirklich treffen willst.«
    Das hatte er wirklich gesagt, und plötzlich fiel es ihm wieder ein. Er hatte wirklich von Waffen und Munition gesprochen. Und dann, nicht mal eine Woche später …
    Er machte wieder einen Gedankensprung. Was hatte Eddie über seinen Chef gesagt – Polk bei der Army Distributing ? Etwas über ihn und seine Frau und die Firma. Hatte Ed nur gesagt, daß sie irgendwie in Schwierigkeiten steckten, oder konnte er – Big Ed – sich nur nicht an mehr erinnern?
    Auf der anderen Seite des Friedhofs fuhr eine schwarze Limousine langsam zwischen den Bäumen den Hügel hinauf und führte einen anderen Wagenzug zu einem anderen Loch in der Erde.
    Nein, er war sicher, Eddie hatte nicht gesagt, was es war. Big Ed stampfte mit dem Fuß auf den Boden und stand dann auf. Gottverdammt, dachte er. Ich