Der Deal
ausführlicher die Ereignisse des letzten Tages. Als Vorspeise hatte Jane sich Pfefferwels in Streifen mit Zwiebeln und Baby Shrimps bestellt. Hardy aß ein dunkelgebratenes, köstlich schmeckendes Filet. Sie tranken zusammen eine Flasche Weißwein und erhielten beide einige Informationen über den anderen.
Als sie und Hardy zusammengewesen waren, hatte Jane in der Öffentlichkeitsabteilung des Kaufhauses I. Magnin gearbeitet. Aber nach ein paar Jahren hatte sie sich, wie sie selber sagte, immer mehr für die Mode an sich begeistert als für ihre Arbeit, die darin bestand, diese Mode zu verkaufen. So war sie selbst zur Modeeinkäuferin geworden, hatte wieder von der Pike auf angefangen, und jetzt machte ihr der Job sehr viel Spaß. Sie unternahm viele Reisen nach New York, Los Angeles, Chicago, sogar nach Europa, und zweimal war sie schon in Hongkong gewesen.
Hardy unterhielt sie mit amüsanten Geschichten aus der Bar, über Moses, Pico und seine Haie und erzählte auch ein bißchen von Eddie Cochran. Als dann das Dessert kam, für beide Karamelcreme und Espresso, war ihr Gespräch schon am Abflauen. Hardy sah auf die Uhr. Jane, die ihm halb den Rücken zugewandt hatte, drehte sich zu ihm um. Sie streckte ihre Hände aus und legte sie auf seine Hand.
»Denkst du nicht«, fragte sie, »daß es Zeit wäre, über Michael zu reden?«
Hardys Blick war starr geradeaus über den Tisch gerichtet, auf die Astlöcher in der Redwood-furnierten Trennwand. Langsam hob er seine Espressotasse an die Lippen, dann setzte er sie wieder ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben. Er zog seine Hand unter ihren hervor.
»Halt!« rief sie.
»Ich tue doch gar nichts.«
»Du ziehst dich schon wieder von mir zurück.«
Hardy, der sich ertappt fühlte, sagte: »Ja, vielleicht tue ich das.«
Jane ergriff wieder seine Hand und legte sie, wie sie es an jenem Abend getan hatte, in ihren Schoß und knetete sie hin und her. »Worum geht es denn jetzt eigentlich? Ist das hier nur oberflächliches Gerede? Versuchen wir uns gegenseitig auszuspionieren?«
»Was meinst du damit?«
»Abendessen gehen. Das hast du dir klug ausgedacht.«
»Beruhige dich, Jane.«
»Nein, du hörst mir jetzt mal zu.« Aber dann fuhr sie freundlicher fort: »Wenn man weiß, was jemand tut, dann kennt man ihn trotzdem noch lange nicht.«
»Aber vielleicht weiß man genug über ihn.«
»Wenn das so ist, dann wünschte ich, du hättest mich nicht angerufen.« Sie ließ mit einer Hand Hardy los und wischte sich schnell mit dem Zeigefinger eine Träne aus jedem Auge, eine nach der anderen. »Es war nicht dein Fehler, das weißt du doch.«
Wie aus Stein gemeißelt saß Hardy da, unnachgiebig, völlig unbeweglich.
»Hast du jemals wieder darüber gesprochen?« Sie hielt seine Hand wider fest umschlossen. Tränenbäche flossen über ihre Wangen, aber sie schluchzte nicht. »Denkst du überhaupt noch jemals daran?«
»Es gibt keinen Augenblick, in dem ich nicht daran denke«, stieß er heftig hervor. Aber so schnell, wie die Erregung gekommen war, war sie auch wieder verflogen. »Es ist nicht so wichtig«, sagte er. »Es tut mir leid, daß ich dich angeschrien habe.«
»Es ist nicht so wichtig?« fragte sie ruhig. »Denkst du vielleicht, das Problem liegt darin, daß du mich anschreist? Damals wäre es mir lieber gewesen, du hättest mich angeschrien, statt einfach zu verschwinden.«
Hardy wagte kaum zu atmen. »Es bringt ihn doch nicht wieder zurück.« Endlich sah er sie an. Mit einer sanften Bewegung wischte er die Tränen von ihrer Wange und wandte sich ihr ganz zu. »Du hast ihn nicht getötet, Jane. Ich war’s.«
»Du warst es nicht. Er ist zum ersten mal aufgestanden, wie hättest du das wissen können?«
»Ich hätte es wissen müssen.«
Michael, ihr sieben Monate alter Sohn, war zum allerersten mal in seinem Kinderbettchen aufgestanden. Am Abend zuvor hatte Dismas ihn schlafen gelegt und dabei die seitlichen Gitterstäbe heruntergeklappt. Das Baby hatte sich auf seine Füße gestellt, war vornüber auf den Boden gefallen. Es war noch vor dem Mittag des darauffolgenden Tages gestorben.
»Ich hätte es wissen müssen«, wiederholte er.
»Dismas«, sagte sie, »du hast es nicht gewußt. Das ist jetzt vorbei, es ist schon lange vorbei. Wie lange willst du denn noch deswegen leiden? Es war ein Unfall, und Unfälle passieren. Niemand war schuld.«
Mechanisch nahm er seine Kaffeetasse in die Hand, starrte über den Tisch ins Leere und führte sie an den
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