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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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zu begreifen, warum jemand so was unbedingt in einer Gegend machen mußte, in der für Billigflüge nach Manila geworben wurde. Es war eine wirklich äußerst trostlose Gegend, in der inzwischen ausschließlich Filipinos, Mexikaner, Kubaner und andere Farbige wohnten.
    Der erste Zeuge sah, als er gerade über die Bonnie Brae fuhr, wie sie auf die Brüstung kletterte, und er fuhr sofort zu einem Münztelefon und rief die Cops an. Der zweite Zeuge, ein Barmherziger Samariter, sprang aus seinem Auto und lief auf sie zu, aber er erstarrte und wich zurück, als sie eine Hand von der Brüstung nahm, ihm einen juwelengeschmückten Finger fast ins Gesicht stieß und einen markerschütternden Schrei ausstieß.
    Kurz darauf traf, donnernd wie ein Cruise-Missile-Marschflugkörper, der Funkstreifenwagen 2-A-99 am Schauplatz des Geschehens ein, und Stanley und Leech, zwei übereifrige junge Scharfmacher, rannten auf die Hausfrau aus Bei-Air zu, die sich die unten über den Freeway rasenden Autos anschaute.
    Im zweiten Streifenwagen saßen dann Dolly und Dilford, die geistesgegenwärtig genug waren, sich an die Möglichkeiten des Funkverkehrs zu erinnern und umgehend zu veranlassen, daß die Highway Patrol den gesamten Verkehr auf der Überführung des Hollywood Freeway in der Fahrtrichtung zum Hospital Queen of Angels stoppte.
    Mit ihren funkelnden grünen Augen beobachtete die Frau, wie die beiden besonders eifrigen jungen Scharfmacher angerannt kamen, ganz wild darauf, Heldentaten zu vollbringen und vielleicht eine Tapferkeitsmedaille zu kriegen. Sie blieben stehen, als Dilford ihnen den Weg abschnitt und sie auf kürzeste Distanz anbrüllte: »HALT, IHR ARSCHLÖCHER!«
    Daraufhin sahen sich die beiden jungen Scharfmacher ihre Springerin wenigstens mal einen Augenblick lang gründlicher an, und sie stellten fest, daß sie genau beobachtete, was sie taten. Der Wind zerzauste ihr das kastanienbraune Haar, und das weinrote Cape flatterte um ihre schmalen Schultern, und ihre beiden Hände streckte sie ihnen wie eine Schale geformt entgegen. Das bedeutete, daß sie sich nur mit den Knien an den Stützen der Brüstung festhielt.
    Die Bel-Air-Hausfrau schaute Dilford, der mit jeder Hand einen jungen Scharfmacher gepackt hielt, dann direkt an. Und während sie immer noch ihre wie zu einer Schale geformten Hände ausstreckte, als würde sie irgendein Geschenk erwarten, fixierte sie unverwandt den großen jungen Cop mit den hervorstehenden blauen Augen und dem toffeefarbenen Haar, das ihm aus der Stirn geweht wurde, auf der längst der kalte Schweiß stand.
    Sie sagte zu Dilford: »Kommen Sie her.«
    Inzwischen hatten sich auf der Bonnie Brae sechs Cops und mehrere Zivilbeamte und außerdem ein Imbißwagen versammelt, und der gesamte Verkehr war in beiden Richtungen gestoppt worden, abgesehen von der nach Süden führenden Fahrbahn des Hollywood Freeway, auf der die Autos immer noch tief unter ihnen vorbeidröhnten. Nonstop aus Norden. Aus der Gegenrichtung.
    Der Mexikaner mit seinem fahrbaren Kakerlakenimbiß, dem durch den unersättlichen Appetit des Schrecklichen Tschechen auf Gratis-Burritos in der letzten Zeit eine Menge Pesos durch die Lappen gegangen waren, versuchte, den einen oder anderen schnellen Dollar dadurch zu verdienen, daß er Brauselimonade an die immer größer werdende stöhnende Menge der Schaulustigen verkaufte, und die hörte erst auf, »Springen Sie doch, Lady!« zu brüllen, als Dolly drohte, sie würde dem nächsten Arschloch, das sein Maul aufmachte, ihren Polizeiknüppel in den Rachen rammen.
    »Tun Sie's nicht«, bat Dilford die Frau in dem weinroten Cape inständig. »Lassen Sie uns drüber reden. Ich bin sicher, es wird alles wieder gut.«
    Ihre Stimme war ganz friedlich. Sie sagte zu Stanley und Leech: »Ihr beiden da. Haut ab.«
    Und dann stieß sie mit einem Mal noch einen markerschütternden unheimlichen Schrei aus, der sich anhörte wie das Kreischen einer funkensprühenden Messerklinge auf einem Schleifstein. Und sie wiegte sich im Wind hin und her. Zu diesem Zeitpunkt kamen Stanley und Leech mehr und mehr zu der Überzeugung, daß das hier ihren Grips anscheinend doch wohl überforderte und daß sie, Gott verdammt noch mal, vielleicht doch besser hier verschwinden und sich ihre Medaillen bei anderer Gelegenheit holen sollten.
    »Kommen Sie näher«, sagte die Hausfrau aus Bel-Airzu Dilford, dem das toffeefarbene Haar allmählich wie elektrisiert zu Berge stand. Er sah sich nach einem Sergeant um. Er

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