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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Wochen lang lieferte dann der Würgegriff, der bei Chip Muirfield demonstriert worden war, ausreichend Stoff für zahllose Halsschlagaderspäße im Haus des Jammers. Beispielsweise sagten die Leute spaßeshalber: »Damit wird endlich der Beweis erbracht, daß sich auch die Venen und Arterien von Surfern genauso schnell wieder öffnen wie die von normalen Leuten.«
    Mehrere Tage lang hatte Chip Muirfield einen kleinen Wellenreiter am Hals, eine Druckstelle, verursacht durch den Talisman, den er an einer goldenen Kette zu tragen pflegte. Ansonsten sah er aus wie die normalen Leute. Aber es war ein sehr unglücklicher Chip Muirfield gewesen, der an jenem Abend Melody Waters eine gute Nacht gewünscht und zu ihrem Wirtschaftsprüfergatten heimgeschickt hatte, weil Chip viel zu verletzt und erschüttert gewesen war, als daß er mit ihr noch einen hätte draufmachen können. Ein wirklich sehr trauriger junger Cop, der seinen Ärger nur äußerst mühsam heruntergeschluckt und Melody Waters nur einen ganz kleinen wehmütigen Kuß gegeben hatte, als er noch für einen winzigen Moment ganz dicht neben ihr gestanden hatte, Herz an Herz, Schulterhalfter an Schulterhalfter.
    Der Hosenbügler erklärte sich widerwillig damit einverstanden, Chip Muirfield die Kosten für die Reinigung zu erlassen, nachdem der aufgebrachte junge Detective ihm angedroht hatte, gerichtliche Schritte wegen physischer und seelischer Grausamkeit gegen ihn einzuleiten. Es war eine unglückliche Affäre für alle Betroffenen. Der Hosenbügler kam nicht in die Sechsuhrnachrichten, und wenngleich Chip Muirfield noch ein sehr junger Cop war, fragte er sich zum ersten Mal in seinem Leben, ob irgendwas auf der Welt jemals so ist, wie es sein sollte.
    *
    Eine jener kleinen Launen des Schicksals, durch die, wie Polizeiveteranen wie Mario Villalobos steif und fest glauben, oft genug große Dinge ins Rollen kommen, bahnte sich an, als sich der Schreckliche Tscheche im Speisesaal des koreanischen Restaurants Pusan Gardens den Bauch vollschlug, in der Nähe des Olympic Boulevard.
    Der Schreckliche Tscheche schlang, zum großen Ärger des Geschäftsführers, gerade seine zweite Portion sehr scharfen Kimchi -Gewürzkohls hinunter, und er verdrückte dann auch noch eine Ladung rohes Yukkwe-Beaf, die so groß war, daß sie an diesem Abend auf einer intimeren Party bestimmt sechs Personen satt gemacht hätte. Der koreanische Chef war stocksauer und kippte auf das Minzfleisch so viel scharfe Soße, daß das Porzellan eigentlich Blasen werfen mußte, womit er allerdings lediglich bewirkte, daß der Schreckliche Tscheche ins Schwitzen kam wie eine Hure in der heißen Badewanne und noch mehr japanisches Bier bestellte, was wiederum seinen Appetit anregte.
    Der Chef sah ein, daß es hoffnungslos war. Der Eigentümer des Restaurants vertrat hartnäckig die Ansicht, daß sich ein paar Gratissnacks für die Streifencops, die seinen »polizeilichen Problemen« im allgemeinen äußerst wohlwollend gegenüberstanden, immer lohnen würden – was dann allerdings regelmäßig zu diesen gastronomischen Orgien führte, die den Chef zwangen, schleunigst ein weiteres Mal zum Markt in Korea Town zu rennen, um das Menü für den Abend überhaupt vorbereiten zu können.
    Zwischen riesigen Rote-Schnapper-Portionen mit Bohnenfladen und umstellt von Batterien mit japanischem Flaschenbier bedankte sich der Schreckliche Tscheche dann auf seine Weise für das vorzügliche Abendessen, indem er sein Mitgefühl für die Probleme der Asiaten zum Ausdruck brachte und dabei so laut redete, daß alle Kellner und Hilfskellner gezwungen waren, sich die Sprüche anzuhören, obgleich es ihnen sicherlich völlig schnuppe gewesen wäre, wenn die Cops ihren Boß lebenslänglich eingesperrt hätten.
    »Ich mein, es ist ne Sünde und ne Schande, wenn die Sittencops ihre Zeit damit vergeuden, ausgerechnet immer den anständigen Leuten Ärger zu machen, die so ausgezeichnete Restaurants führen wie das hier«, verkündete der Schreckliche Tscheche theatralisch.
    »Ja, ja«, murmelte Cecil Higgins, der seinen schrecklichen Durst gerade mit Wasser zu löschen versuchte, nachdem ihm das mit japanischem Bier offenbar nicht gelungen war.
    Das Dilemma des Koreaners, das Dilemma vieler Restaurantbesitzer aus dem Fernen Osten war dies: sie konnten das Police Department einfach nicht davon überzeugen, daß ihre Sitten und Gebräuche keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellten. Und auch nicht davon, daß

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