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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Ich hab's dir jetzt hundertmal gesagt. Go-ril-la. Go-ril-la. Is ganz einfach. Komm, spuck's mal aus.«
    Sunney Kee, dessen blaue Uniform mittlerweile ebenfalls ziemlich durchgeschwitzt war, blickte dem Monstercop schreckensbleich in die irren grauen Augen und sagte: »Go-lil-la. Go-lil-la.«
    »Nein! Nein! Nein!« brüllte der Schreckliche Tscheche, was Cecil Higgins zu den Worten veranlaßte: »Tscheche, nu geh mal mit Sunney in die Kantine. Kauft euch 'n Orangensaft. So machste bloß deinen Kopf noch kaputter und meinen Kopf noch kaputter, und der arme Sunney scheißt sich vor lauter Angst in die Hose.«
    »Sag Gorilla«, sagte der Schreckliche Tscheche mit ebenso tonloser wie unheilverkündender Stimme. »Ich hab 'n Katzenjammer von Weltklasse. In meinem Gedärm spielt sich der reinste Karneval ab. Ich muß raus in mein Revier. Sag Gorilla, Sunney. Oder ich bring dich um!«
    »Go-lil-la«, sagte Sunney Kee und schaute dem Schrecklichen Tschechen inzwischen in wirklicher Panik in die blutunterlaufenen wahnsinnigen Augen.
    *
    Inzwischen gab es im Revier des Schrecklichen Tschechen ziemlichen Ärger. Eine Frau mit einem hölzernen Gebiß war zusammengeschlagen und rumgeschleudert worden wie der Hammer beim Hammerwerfen.
    Ihren richtigen Namen kannte niemand, aber alle Leute in der Gegend am Mac Arthur-Park kannten sie als Holzzahn-Wilma. Sie war eine harmlose Lumpensammlerin, die Hedda-Hopper-Hüte, Miniröcke und Stiefel trug, damit ihre knochigen, von Krampfadern durchzogenen, fünfundsechzigjährigen Beine, die sie für wunderschön hielt, richtig zur Geltung kamen. Sie war immerhin nicht ganz so verwahrlost und schmutzig wie die meisten anderen Lumpensammlerinnen, und man nahm daher allgemein an, daß sie über ein kleines Einkommen verfügte und in Wirklichkeit irgendwo eine feste Bleibe hatte. Einige Polizisten hatten vor Jahren das Gerücht in Umlauf gesetzt, sie sei mal mit einem Cop verheiratet gewesen und treibe sich deshalb, seitdem er von einem Gangster niedergeschossen und getötet worden sei, in dem Revier herum, wo er früher immer Streife gegangen war. Wahrscheinlich hatte dieses Gerede keinerlei Substanz, aber weil offenbar auch Cops ihr tägliches Einerlei nicht ohne sentimentale und rührselige Geschichten ertragen können, hatten sie beschlossen, es zu glauben, und so bekam die Frau manchmal sogar von dem Schrecklichen Tschechen und Cecil Higgins ein paar milde Gaben.
    Die Sache mit den hölzernen Zähnen war inzwischen geradezu ein Mysterium. Die Frau grinste bloß geheimnisvoll, wenn sie gefragt wurde, warum und woher sie ein Gebiß aus Holz hatte. Sie redete überhaupt nicht viel, weil natürlich auch Lumpensammlerinnen im Mac Arthur-Park es für unklug halten, allen Leuten gegenüber alles auszuposaunen. Sie gab lediglich zur Antwort, sie habe gehört, auch George Washington habe Zähne aus Holz gehabt, und sieh mal einer an, die Menschen hätten ihn trotzdem geliebt.
    Earl Rimms allerdings liebte weder George Washington noch Holzzahn-Wilma. Earl Rimms liebte keinen einzigen Menschen. Er hatte immerhin seine ganzen fünfundvierzig Jahre dazu gebraucht, zu begreifen, daß Liebe ziemlich teuer ist. Liebe kostet was, und Haß macht sich bezahlt.
    Earl Rimms war nie besonders wählerisch gewesen, wenn er nach Opfern Ausschau gehalten hatte, Hauptsache, sie konnten sich nicht wehren. Und weil er grundsätzlich daran glaubte, daß es in der Welt nicht auf Qualität, sondern nur auf Quantität ankam, würde er buchstäblich bei keiner Frau über vierzig zögern, ihr die Handtasche zu klauen, obgleich dabei immer die Gefahr bestand, daß das Opfer sich die Hüfte oder die Schulter brach, wenn er es niederschlug.
    In der Gegend in Watts, in der er wohnte, hatten bei den schweren Farbigenunruhen selbst alte schwarze Frauen gelernt zurückzuschlagen. Es kam hinzu, daß Earl Rimms auch nicht gerade jünger wurde, und so hatte er vor einem Jahr beschlossen, sein Revier in die Innenstadt von Los Angeles zu verlegen. Dort war er von dem Schrecklichen Tschechen und Cecil Higgins, die durch sein Vorstrafenregister von Anfang an über seine sinnlose Brutalität gegenüber seinen Raubopfern im Bilde waren, bereits zweimal festgenommen worden. Die Streifencops haßten ihn inzwischen ebenso sehr, wie er die ganze Menschheit haßte.
    Als Holzzahn-Wilma an diesem Dienstagmorgen den für sie beinahe tödlichen Fehler machte, Earl Rimms über den Weg zu laufen, hatte der nicht wissen können, daß die verrückte alte

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