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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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sie. »Und ich bin eine arme verkrüppelte Frau im Rollstuhl, und er macht trotzdem nie das, was ich ihm sag. Was soll eine arme alte Mutter da machen, Officer?«
    Der diensthabende Cop hatte auch eine arme alte Mutter, die nicht in allerbester Verfassung war, und er sagte: »Nun regen Sie sich mal nicht weiter auf. Wir schicken gleich 'n Streifenwagen vorbei und reden mit Albert 'n ernstes Wörtchen. Wohnt er bei Ihnen?«
    »Ja, aber er hatte versprochen, es war nur vorübergehend«, sagte sie, »und nun ist er schon im vierten Monat da, und ich hab kaum noch was zu essen, kaum noch was.«
    »Nu kommen se, heulen Sie nicht gleich«, sagte der diensthabende Cop und stellte sich seine geliebte alte Mutter vor. »Wir werden einfach versuchen, vernünftig mit Albert zu reden, und überlegen, ob wir Ihnen das Leben 'n bißchen erleichtern können.«
    »Danke, mein Sohn«, sagte Aggie Grubb.
    Der Hilferuf wurde an Sunney Kee und seinen Partner Wilbur Richfield weitergegeben. Die beiden waren ein seltsames Pärchen, Sunney und Wilbur. Weil der schwarze Cop denselben Familiennamen wie eine Ölgesellschaft trug, wurde er nur Richfield, das Faß, genannt. Und als er dann mit einem so winzigen Menschen wie Sunney zu einem Team zusammengespannt wurde, wurde aus dem kleinen asiatischen Flüchtling natürlich sofort Kee, das Fäßchen.
    Tatsächlich spielte es dann allerdings überhaupt keine Rolle, wieviel Gewicht Faß und Fäßchen an diesem Tag auf die Waage gebracht hätten. Bei dieser Sache wäre so und so nichts Gutes herausgekommen. Nachdem sie an die Tür geklopft hatten, hörten sie sofort, wie die Frau mit ihrem quietschenden Rollstuhl über den kaputten Linoleumboden fuhr. Dann ging die Tür knarrend auf.
    »Guten Morgen, Officers«, sagte Aggie Grubb.
    Die Adern auf dem Rücken ihrer verkrümmten Hände pulsierten blau. Die weißen, knochigen Knie wurden durch ihr Kleid kaum bedeckt. Als sie lächelte, glitzerte ihr einziger Zahn. Dann erst schaute sie sich den kleinen Chinamann und den großen Nigger durch ihre Zweistärkenbrille genauer an. Sie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. Wenn sie irgendeine reiche Lady von der West Side gewesen wäre, hätten sie ihr bestimmt echte Cops geschickt, dachte Aggie Grubb.
    »Wir haben 'n Anruf gekriegt, daß Sie 'n kleinen Familienstreit hätten«, sagte Wilbur Richfield.
    »Na, kommen Sie erst mal rein«, sagte Aggie Grubb. »Vielleicht können Sie meinem Sohn Albert mal ins Gewissen reden. Und ihm Beine machen, daß er hier wegzieht. Ich kann nicht mehr länger für ihn aufkommen. Ich mit meiner Sozialunterstützung, mit Arthritis? Dieser Junge nimmt auf seine Mutter überhaupt keine Rücksicht.«
    »Wo ist er denn?« fragte Wilbur Richfield.
    »Na, wo er immer ist«, sagte Aggie Grubb. »Bis mittags im Bett. Dann steht er kurz auf und brät sich 'n Dutzend Eier und pennt weiter bis abends. Ich kann den Jungen auf keinen Fall länger durchfüttern.«
    »Okay«, sagte Wilbur Richfield. »Wo ist denn das Schlafzimmer?«
    »Da entlang«, sagte sie und deutete mit ihren verkrümmten Trommelschlegelfingern den Flur hinunter. »Die erste Tür auf der linken Seite.«
    »N Dutzend Eier«, sagte Wilbur Richfield zu Sunney Kee, als sie den muffigen Korridor runtergingen. »Nicht mal der Schreckliche Tscheche ißt 'n Dutzend Eier.«
    Albert Grubb aß ein Dutzend Eier. Und dazu aß er ein gutes Pfund Speck. Und er aß zehn Scheiben Toast. Und er trank fast vier Liter Milch, wenn seine Mutter so viel im Haus hatte. Und dann war er immer noch hungrig.
    »Liegt da wirklich bloß ein Mann drunter?« sagte Wilbur Richfield zu Sunney Kee, nachdem sie die Tür des Schlafzimmers geöffnet und die Umrisse der menschlichen Gestalt entdeckt hatten, die unter einem Gebirge von Wolldecken lag und schnarchte.
    »Liegt da wirklich ein Mann drunter?« sagte Wilbur Richfield zu der Mutter des Jahres, die aus ihrem Rollstuhl in der Küche pausenlos gackerte und schniefte.
    »Is 'n Prachtbursche, nich?« sagte sie. »Sie hätten seinen alten Herrn mal sehen sollen.«
    Wilbur Richfield, Cop mit fünfzehn Dienstjahren, guckte seinen kleinen südostasiatischen Partner an, guckte die Mutter des Jahres an und guckte sich im Zimmer um.
    Albert Grubb hatte die Wand mit Pinups vollgehängt. Sämtliche Pinups trugen winzige Badehöschen und waren von oben bis unten gut eingeölt und hatten unglaubliche Körper. Sämtliche Pinups waren Männer. Bodybuilder. Aber auch der größte Mann unter all den Pinups

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