Der demokratische Terrorist
lauschte. Das war eine Haltung, die Hecht durch ihr Gleichgewicht und ihre Ruhe spüren ließ, daß ein solides Selbstvertrauen dahintersteckte. Hamilton war ein Mann, der nicht einmal bei einem Unternehmen von dieser Schwierigkeit an seinen Fähigkeiten zweifelte. Das war gut, sehr gut.
»Und damit sollten wir zur Sache kommen«, fuhr Hecht fort, nachdem Carl die Höflichkeiten erwidert hatte. »Fangen wir mit den Voraussetzungen des Unternehmens an, oder möchten Sie ein paar Fragen stellen? Was möchten Sie als erstes wissen, Herr Hamilton?«
Es war völlig klar, was Carl als erstes erfahren wollte. Eine Frage war wichtiger als alles andere, von ihr hing die gesamte Operation ab: Wie solle seine Tarnung aussehen, wie seine Identität und sein Hintergrund, abgesehen davon, daß er selbstverständlich Schwede sein müsse und für Terroristen Sympathien hege?
»Aha, das Wichtigste also zuerst, das freut mich«, begann Hecht und wartete die Übersetzung ab, bevor er fortfuhr.
Er erklärte, er wolle zunächst den Mann beschreiben, dem die Terroristen begegnen sollten. »Wir können mit dem Namen anfangen«, sagte er. »Carl Gustaf Gilbert Hamilton, wohnhaft Drakens gränd in Gamla Stan in Stockholm. Dieser Hamilton hat seinen Wehrdienst in einer Sondereinheit der schwedischen Marine abgeleistet. Er ist Angriffstaucher, beherrscht neben der Tauchtechnik eine ganze Reihe von Sabotage und Nahkampftechniken. Das ist in etwa das, was ein Außenstehender in Erfahrung bringen kann. Im Verlauf der Ausbildung können wir das aber noch ein wenig ausschmücken, da sie ja geheim ist. Schlimmstenfalls könnte das sogar eine Erklärung dafür sein, daß Sie Offizier sind, falls jemand das herausfinden sollte. In manchen geheimen schwedischen Verbänden werden sogar die Wehrpflichtigen zu Offizieren gemacht, etwa Dolmetscher oder Funker, das ist also gar nichts Besonderes.
Ferner haben Sie fünf Jahre an der University of California in San Diego zugebracht, Graf Hamilton, und dort unter anderem Staatswissenschaft studiert, Computertechnik und Programmieren. Das genügt vielleicht. Sehen Sie den Grundgedanken, Graf Hamilton, wie gefällt er Ihnen?«
»Aha, ich verstehe«, sagte Carl langsam und ließ einen ungeduldigen Siegfried Maack übersetzen, bevor er fortfuhr: »Meine Tarnung ist also gar keine. Ich soll mich selbst spielen, von ein paar entscheidenden Details abgesehen. Ich bin kein Angestellter des schwedischen Sicherheitsdienstes und arbeite auch nicht für den Verfassungsschutz. Das ist wohl das einzige, was ich mir merken muß. Das ist ein sehr guter Gedanke, in seiner ganzen Einfachheit sogar glänzend.«
»Gut. Und wodurch könnte diese Identität auffliegen?« bohrte Loge Hecht nach. Carl mußte eine Weile nachdenken. Seine richtige Identität könne ebenso wie seine falsche nur durch eigene Fehler im Einsatz auffliegen - etwa durch klassische Versprecher, durch Geständnisse gegenüber Frauen in schwachen Momenten und all die anderen Dinge aus dem Lehrbuch, vielleicht aber auch durch Verrat seitens der Auftraggeber.
Nichts davon sei sonderlich wahrscheinlich. Außerdem wünsche er vor Beginn der Operation einige schriftliche Garantien.
Carl nannte die Dokumente, die er von Hecht haben wollte, und dieser sagte sie ihm ohne weiteres zu, und damit konnte er zur nächsten großen Frage übergehen: Was genau sollte Carl Gustaf Gilbert Hamilton für die Terroristen so attraktiv machen, wenn man einmal von seinen waffentechnischen Qualifikationen absah, die man ja nicht gerade per Zeitungsinserat anpreisen konnte?
Loge Hecht kicherte fast übertrieben entzückt vor sich hin, als Maack ihm Carls ironische Bemerkung über das Zeitungsinserat übersetzte.
Das war nämlich genau der Plan, den man ins Auge gefaßt hatte.
Der Verfassungsschutz habe, so Hecht, von einigen Banküberfällen erfahren, die in Südwestdeutschland von einem einzigen Mann begangen worden seien. Die Überfälle waren hochprofessionell durchgeführt worden, und der Täter war nur per Zufall gefaßt worden. Es stellte sich heraus, daß er Polizeibeamter war. Er beging Selbstmord, bevor Anklage erhoben werden konnte, und die Polizei hatte die Geschichte nicht an die Presse durchsickern lassen. Die insgesamt fünf Banküberfälle waren damit aufgeklärt, obwohl sie in der Statistik als unaufgeklärte Verbrechen geführt wurden. Der kriminelle Polizeibeamte war ohne Zweifel ein einsamer Wolf gewesen. Vor allem seine verzweifelten privaten Finanzen,
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