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Der Derwisch und der Tod

Der Derwisch und der Tod

Titel: Der Derwisch und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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geschickt,
Vater, damals, in Stambul", meinte Hasan lächelnd, „und bin
hierhergekommen und Viehhändler geworden."
    Sie liebten einander mit wunderlicher,
launischer, aber wahrhaft inniger Liebe, so als wollten sie die Zeit
wettmachen, in der die Starrköpfigkeit, die des einen wie die des andern, sie
getrennt hatte.
    Der alte Mann verlangte von Hasan,
er solle heiraten („Ich kann's nicht eher als du", spottete Hasan), er
solle den Viehhändlerberuf und die langen Reisen aufgeben, damit er nicht immer
von ihm fortmüsse. Er griff auch zur List, rechtfertigte sein Verlangen damit,
daß er schwerkrank sei und daß ihn der Tod jeden Augenblick ereilen könne, und
leichter wäre ihm dann zumute, wenn sein eigenes Fleisch und Blut bei ihm wäre,
damit die Seele ohne Qual den Leib verlasse. „Wer weiß, wer eher an der Reihe
ist", erwiderte Hasan. Aber er nahm die Entbehrungen auf sich, wie sie die
Liebe mit sich brachte, ohne große Begeisterung freilich, besonders was das
Reisen betraf; es war Herbst, Zeit, auf den Weg zu gehen, er hatte sich daran
gewöhnt wie die Störche. Die Schwalben waren fortgezogen, bald würden auch die
Wildgänse, ihren Zugstraßen folgend, hoch droben ihren schrillen Ruf hören
lassen, und er würde zum Himmel aufblicken, den Keil der Vogelschar betrachten
und in Gedanken an die Wunderwonnen seines eigenen Umherschweifens versinken,
da ihn die eine Liebe von der anderen löste und weiterführte.
    Im Haus waren wichtige Veränderungen
vor sich gegangen. Der ältere Knecht, der kräftige Fazlija, der Mann Zejnas,
der schwarzäugigen Schönen, die mit dem Jüngeren lebte, tat für den alten Mann
zuverlässig die Dienste einer Kinderfrau. Es zeigte sich, daß seine riesigen
Hände der sanftesten Bewegungen und der aufmerksamsten Fürsorge fähig waren.
Hasan ließ im Zimmer des Vaters immer etwas Geld liegen, denn er kannte den
Knecht und fürchtete, daß seine Ergebenheit sonst nachlassen könnte.
    Die gefährliche Liebe unterband er
entschlossen. Ihre scheinbare Beständigkeit zerbrach leichter, als selbst die
spöttischste Phantasie es sich hätte ausmalen können. Die starke Festung wurde
übergeben von den ewigen Verrätern der Liebe.
    Als der Vater sich wieder soweit
erholt hatte, daß der Tod nicht mehr allzu nahe schien, ging er davon ab,
seinen ganzen Besitz zu einer Stiftung zu machen, immerhin war die Stiftung
noch beträchtlich, und dem Stiftungsverwalter (ein redlicher und kluger,
besonnener Schreiber vom Gericht willigte ein, den ihm gebotenen Sperling, den
Posten des Stiftungsverwalters, statt der unsicheren Taube, dem Posten des
Kadis, anzunehmen; bei dieser Gelegenheit wurde mir klar, wer Hasan über
Haruns Unglück unterrichtet hatte) mußte man einen Gehilfen beigeben. Hasan
rief den jüngeren Knecht in sein Zimmer und bot ihm den Posten, der angesehen
und gut bezahlt war, vorausgesetzt, daß er nie mehr in dieses Haus komme, außer
zu ihm, Hasan, wenn die Geschäfte es erforderten, und daß er sich niemals und
nirgends mehr mit Zejna treffe, außer zufällig, und auch dann möge er wortlos
weitergehen. Wenn er einwillige und sein Wort halte, könne er die Gelegenheit
nutzen, die ihm hier gegeben werde; wenn er aber einwillige und betrügen
wolle, könne er gleich seiner Wege gehen.
    Er war auf Widerstand und Klagen
gefaßt gewesen, hatte sogar daran gedacht, nachzugehen und alles fortdauern zu
lassen, denn es tat ihm leid, daß er den jungen Burschen vor eine so harte Wahl
gestellt hatte. Doch er ging sofort darauf ein. Er war pfiffig und tüchtig.
Hasan merkte, wie ihm übel wurde.
    Dann ließ er die Frau kommen, um es
ihr beizubringen, der junge Bursche aber sagte alles selbst: daß sie einander
leider nicht mehr würden sehen können, er ginge fort, sein Schicksal zu
suchen, sie habe ihres schon gefunden, sie möge seiner nicht im bösen gedenken,
er würde das Leben in diesem Hause nur in guter Erinnerung behalten, nun denn,
Gott wolle, daß es so sei.
    Man wird auf ihn aufpassen müssen,
dachte Hasan angewidert.
    Zejna stand an der Tür, stumm, durch
die dunkle Farbe ihrer Haut schlug Blässe, ihre Unterlippe zuckte wie bei einem
Kind, die Arme hingen ihr kraftlos zu den vollen Hüften herab, die Hände
griffen sinnlos und matt in die Falten der Pluderhosen.
    So stand sie auch noch, als der
Bursche das Zimmer schon verlassen hatte. Und so stand sie, als Hasan auf sie
zutrat und ihr eine Perlenkette seiner Mutter um den Hals legte. „Damit du
recht gut meinen Vater

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