Der Diamant des Salomon
noch Julio geheißen hatte.
Als die Familie in die N i e d erlande geflohen war, hatte sein Vater sein ganzes Kapital in Spanien zurücklassen müssen und in der neuen Heimat vergeblich versucht, Arbeit als Schuhund Handschuhmacher zu finden. Die Zünfte duldeten es zwar, daß Juden bei ihnen einkauften, nahmen sie aber nicht als M itglieder auf. Nach dem Tod seines Vate r s hatte der Bruder s e i n er M u tter d i e b e iden Neffen aus der Fremde unter seine Fittiche genommen.
»Du bist nicht mehr Julio. J e tzt h e ißt du Juli u s«, hatte sein Onkel damals mit Nachdruck erklärt. Er selbst hatte das beis p i elhaft vo r exe r ziert – als Luigi hatte er It a l ien verlassen, a l s Louis in Paris Mathematik st u diert, u n d dann, als er gemerkt hatte, daß er als Jude niemals ein Lehramt an einer Universität e r halten würde, w a r er n a ch Brügge ge g angen und dort Lodewyck, der Diamantenschleifer, ge worden.
Vidal seufzte. Er trank etwas Wasser aus einem Bach, um den scharfen Geschmack der Zwiebeln hinunterzuspülen, und stieg wieder auf sein Pf erd. Es hörte auf zu regnen, die Sonne brach durch d i e Wolken, und in V itoria konnte er von drei Pilgern, die auf dem Weg zum Jakobsschrein in Compostella waren, etwas Brot kaufen. Irgendwie mußte er ihnen verdäc h tig vorgek o mmen sein, denn kurz nachdem er sie verlassen hatte, holten ihn die Schergen der Inquisition ein und hielten ihn an. Julius war starr vor Schreck, aber sein Geleit b rief von Torquemada verschaffte ihm Respekt.
In den folgenden Stunden wurde er noch zweimal von Bewaffneten aufgehalten, denen er jedes Mal sein Dokument zeigte. Beim dritten Mal, spät am Nachmittag, war er bereits in León, und die Soldaten, die ihn anhielten, waren De Costas Männer. Sie esko r tierten ihn im Galopp in die Stadt. Für Julius war es ein s e ltsa m es Gefühl, einer dieser schnellen R eit e r zu s e i n . Einers e its gefi e l es i h m, wie die Häuser an ihm vor be iflo g en, a n derers e its s ah er mit Schrecken, wie Mensc h en und Tiere um ihr Leb e n rannten, wenn die grausamen, rücksichtslosen Hufe auf sie zudonnerten.
De Costa hatte angeordnet, daß Vidal wie ein Gast behandelt werden sollte, und so wurde er in eine große Kammer geführt, in der Essen und Wein auf dem Tisch standen. Julius hatte ganz vergessen, daß es R osenwasser gab; die Flamen wuschen sich nur mit Seife. Anna verwendete die Asche aus dem Herd, um sie selbst zu sieden.
Noch am Abend seiner A nkunft rief man ihn zum Grafen, einem großen, schlampig gekleideten Mann mit einem selbstzufriedenen Grinsen auf dem Gesicht.
Vidal hatte von Flüchtlingen, die in Antwerpen lebten, viel über De Costa gehört. Seit Jahren denunzierte er wohlhabende conversos, indem er sie bei der Inquisition beschuldigte, sie hingen heimlich w i eder dem Judentum an. Wenn dann deren Hab und Gut beschlagnahmt wurde, nutzte De Costa die Gelegenheit, sich billig großen Grundbesitz zusammenzukaufen. Königin Isabella schätzte Männer wie ihn, die in ihrem R e ich die Arbeit ihrer Inquisition verrichteten, denn sie waren nahezu die einzigen, die ohne Murren ihre exorbitant hohen Steuern bezahlten. So war es kein Wunder, daß De Co st a ausgerechnet 1492, dem Jahr der schlimmsten Judenvertreibung, von ihr zum Grafen ernannt worden war.
Vor einigen Jahren hatte er neben riesigen Ländereien auch einen gelben Diamanten aus dem Besitz eines rückfällig gewo r denen converso namens Don Benvenisto del Melamed erworben. Don Benvenisto, ein »neuchristlicher« Schiffsbauer, dessen größter Fehler es war, auf Kredit für die spanische Krone K riegsschiffe gebaut zu haben, hatte den großen Diamanten von der F a milie eines Ritt e rs g e k a uft, d er ihn während ei n es Kreuzzu g es aus d er Moschee von Acre geraubt hatte. Daß er den Stein nicht sofort s ein e n Katholis c hen Maje s t ä t en oder d e r Heilig e n Mutter Kirche geschenkt, sondern ihn für sich selbst behalten hatte, war ein w e iterer, entscheidender F ehler des armen Schiffsbauers ge w esen.
Diese Selbstsucht bedeutete nämlich für De Costa den Beweis, daß Melamed im Herzen eben immer noch ein Jude war, und so war er anonym einer ganzen Reihe von Vergehen beschuldigt und schließlich zur Reinigung seiner Christenseele auf dem Scheiterhaufen verbrannt w orden.
Das Königliche Paar, dem dadurch von einem Tag auf den anderen ein gigantischer Schuldenberg erlassen worden war, sah gnädig zu, als ihr treuer und frommer Diener De Costa
Weitere Kostenlose Bücher