Der Diamant des Salomon
wir noch in der Stadt lebten.«
»Auch die neuere Synagoge ist jetzt eine Kirche. Ich habe dort selbst der Heiligen Messe beigewohnt.«
»Gibt es denn den jüdischen Friedhof noch?« De Mariana zuckte mit den Achseln.
»Im Sommer haben mein Bruder und ich dort immer auf den Gräbern gespielt, während unser Vater in der Synagoge war. Ich habe am Grabstein eines fünfzehnjährigen J ung e n g e l er n t , d i e heb r ä i s c h e Schr i f t z u l e s e n . Asher A ben Turkel hieß er. Gestorben 1349.
Dieser Stein ist ein De n k m al Da m it die kom m enden Generationen wissen Daß unter ihm eine hübsche Knospe liegt, Ein geliebtes Kind.
So voller Wissen, E i ner, der die Bibel las, E i n Student der m i shna und ge m ara.
Er ler n te v o n seinem Vater W as sein Vater v o n seinen Lehrern ler n te: Die ewi g en Gesetze Gottes.«
»Got t se i mi r gnädig . Ic h fang e an , di r z u glaub e n. Wi e kan n ei n Jud e i n diese m Lan d fre i un d a m L e b e n sein?«
»Du kannst mir ruhig glauben, Vetter.« Vidal strich De Mariana über die Hand, die ihm sehr heiß vorkam. »Aber du bist ja krank. Du hast das Fieber«, sagte er besorgt.
»Es ist nur die Feuchtigkeit. Meine Kleider we r den nicht trocken, weil es hier kein Feuer g i b t . Es ge h t schon vorüber. Ich habe es schon ein paarmal gehabt.«
»Nein. Du mußt behandelt wer d en.« V i dal g i ng zur Tür und rief durch das vergitterte Sichtfenster nach dem Oberaufseher. Als er kam, sagte er ihm, daß der Gefangene krank sei und einen Arzt benötige. E r war erleichtert, als der griesgrämige alcalde nickte.
»Ich l a sse d i ch jet z t all e in, damit der Arzt sich um dich kümmern kann.«
»Komm zu r ück, auch wenn du nur ein Trugbild bist«, sagte De Mariana.
Drauße n au f de m Stad t plat z saß e n alt e Männ e r i n der Sonn e , un d Kinde r li e fe n lau t s c hreien d h i nte r einem bellende n Hun d he r . V i da l w a r hungri g un d blie b a n eine m Stan d stehen , a n de m e i n e Fra u Bohneneintopf verkaufte.
»Ist da Sch w einefleisch drin?«
Die Frau sah ihn verächtlich an. »Bei dem Preis wollt Ihr auch noch Fleisch verlangen?«
Vidal lächelte und kaufte sich eine Portion. Die Bohnen hatten einen Geschmack, den er schon fast vergessen hatte. Er aß sie mit Genuß, wobei er sich mit den Rücken an eine sonnenwarme Mauer lehnte, an der viele Bekanntmachungen hingen. In ein paar Tagen sollte ein A u t o da Fé, eine Ketzerverbrennung, stattfinden. Eine eben abgekalbte Milchkuh w urde zum Verkauf angeboten, ebenso ein Schäferhund und Geflügel in lebender oder gerupfter Form. Außerdem hing da noch ein Glaubensedikt, das die Bevölkerung aufforderte, es sofort dem Inquisitionstribunal zu melden …
… falls m an je m anden persönlich oder vom Hörensagen kennt, der den Sabbat nach den Gesetzen des Moses beachtet, indem er an diesem Tag saubere Kleidung trägt, frische Tücher auf Tisch oder Bett legt und vom Freitag abend an kein Licht im Haus anzündet. Desgleichen, wenn je m and das Fleisch, das er verzehrt, dadurch reinigt, daß er es im W asser a u s b l u t en l ä ß t ode r d em V i eh und Geflügel, das er zu ess e n trachtet, den Hals durchschneidet und dabei bestim m t e Worte sagt und das Blut m it Erde bedeckt.
Desgleichen, wenn je m a nd zur Fastenzeit oder zu einer anderen Zeit, in der es von der Heiligen Mutter Kirche verboten i s t, Fleisch zu sich nim m t oder an den Tagen des jü d i sc h en Fastens bar f uß geht. Desgleichen, wenn je m and jüdische Gebete spricht, abends von einem anderen Vergebung erbittet, wenn Eltern ihre Hände auf die Köpfe ihrer Kinder legen, ohne daß sie das Kre u zzeic h en m achen, statt des s en aber s a gen »Sei gesegnet von Gott und von m i r «. Desgleichen, wenn sie den Tisch auf jüdische Art segnen oder wenn sie die Psal m en ohne das Gloria Pat r i lesen. Desgleich e n, wenn eine Frau nach der Geburt eines Kindes vierzig Ta ge lang nicht zur Kirche geht oder wenn je m and sein Kind beschneiden läßt oder ihm einen jüdischen Na m en gibt. Desgleichen, wenn je m and nach der Taufe die Stelle wäscht, wohin das geweihte Salböl aufgetragen wurde, oder wenn je m and sich auf seinem Totenbett zur W and dreht, um zu sterben, und w enn er tot ist, die anderen seine Leiche m it war m e m Wasser waschen und ihm überall am Körper die Haare a b rasieren …
Als Vidal fertig gegessen hatte, s a h er sich n ach einer Waffe um. Er hatte noch nie ein Schwert gehabt und
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