Der Diamant des Salomon
still und l e ise den weltli c hen Besitz d es armen Tropfs einkassierte.
Als der Graf Vidal durch sein stattliches Haus führte, wagte es d i eser nic h t, zu fragen, wem es wohl früher einmal gehört h atte.
In einem großen Raum befanden sich die Exponate von den Kreuzzügen, die De Costa mit d er Leide n s c haft e i nes Sammlers zusammengetragen hatte – Schwerter von Sarazenen, Mauren und C hristen, Schilde und Rüstungen verschiedenster Herkunft und eine ganze Reihe von zerfetzten Schlachtenbannern.
»Das hier ist mein Lieblingsstück«, sagte De Costa und deutete auf einen schweren Militär s att e l, an d e m mehrere verschrum p elte Fleisc h stücke h i n g en, die Vi d al zunächst für menschliche Finger hielt, b i s er bemerkte, d aß es sich um beschnittene Penise handelte.
»Mohammedanerschwänze«, bestätigte De Costa mit einem Grinsen.
»Woher wißt Ihr, daß sie alle von Moslems stammen?« fragte V i dal matt.
Der Graf blickte überrascht drein, als habe er sich diese Frage noch nie gestellt. Dann brach er in schallendes Gelächter aus und schlug Julius, den er offensichtlich für einen kollosal witzigen Burschen hielt, kräftig auf die Schulter.
Am nächsten Morgen wurde Vidal zu einem H aus in der Mitte von L eón gebracht, in dem sich eines der berüchtigten Geheimgefängnisse der Inquisition befand. Wenn man es von der Straße aus betrachtete, hätte man das Gebäude für ein herrschaftliches Wohnhaus halten können; drinnen aber wimmelte es von bewaff n eten Soldaten und Dominikanermönchen.
Einer der Mönche, der sich als der alcal d e, der Oberaufseher, vorstellte, verlangte Vidals Ausweispapiere zu sehen.
»Ja, der Gefangene De Mariana ist hier.«
Nachdem er Julius durch einige lange Gänge geführt hatte, b lieb er vor einer Zellentür stehen, hinter der jemand vernehmlich hustete. Als d i e Tür geöffnet wurde, sah Vidal, daß die Zelle zwar win z ig klein, aber bis auf einen stinkenden Nachttopf sauber war. Auf dem Boden lagen neben einer Waschschüssel ein dünnes Stück Seife, ein Rasiermesser und Papier und Schreibzeug. In einer Ecke stand ein Hocker, und auf der P r itsche lag ein magerer, weißhaariger Mann, den das Aufsperren der Tür aus dem Schlaf gerissen hatte. E r setzte sich auf und starrte die Eintretenden an. Sein Gesicht war glattrasiert, und seine blauen Augen glänzten eigenartig.
»Ich bin gekommen, um dir zu helfen.« Der Mann sagte nichts.
»Ich bin Julius Vidal, ein Diamantenschleifer aus Gent in den Niederlanden. Man hat mir gesagt, wir wären Verwandte.«
Der Mann räusperte sich. »Ich habe keine Ver w andten.«
»Mein Urgroßvater war Isaak ben Y aacov Vitallo.«
»Ich weiß von keinem Verwandten dieses Namens.«
»Das hier ist kein Trick. Die Inquisition braucht mic h , weil ich ein seltenes Handwerk beherrsche. Vielleic h t kann ich dich von deinen Qualen erlösen.«
»Ich bin nicht verdammt, also brauche ich auch nicht erlöst zu wer d en.«
»Ich will ja bloß deinen Körper retten. Um deine Seele mußt du dich schon selbst kümmern.«
Der Mann blickte ihn an.
Julius setzte sich auf den Hocker. » Kennst du d eine Vo r fahren, die Familie Vit a llo?«
»Ich stamme von conversos ab. Das ist überall bekannt, warum sollte ich es also leugnen? Mein Vater ist als guter christlicher Priester ge s t orben. Und ich habe m ein einziges Kind der Heiligen M utter Ki r che gegeben.«
»Einen Sohn?«
»Eine Tochter. Meine Juana, die heute eine bar m herzige Schwester i s t.«
Vidal nickte. »Merkwürdig, wie sich Verwandte oft unterscheiden. Mein Bruder i s t ein R abbi. Wir wurden in Toledo geboren, wo man die Juden für den Ausbruch der Pest vera n twortlich gemacht und Tausende von ihnen umgebracht hat. Mehr als hundertfünfzig Jahre danach sitzt uns die Angst von diesem Ereignis noch immer im Nacken.«
»Als ich ein Kind war, hatte ich nie Angst«, sagte De Mariana, als wolle er etwas beweisen. »Man sagt, daß Toledo von Juden gegründet wurde. Wußtest du das?«
»Ja.«
»Mir scheint, das ist eine Lüge der Juden«, sagte der alte Mann verschlagen.
»Der Name kommt von toledot, was auf hebräisch ›Generationen‹ heißt. Es ist eine wunderschöne Stadt. Das Haus meines Vaters war in der Nähe der Synagoge.«
»Die ist jetzt eine Kirche. Ich kenne Toledo gut.«
»Vielleic h t meinst du d amit die Kirche der Santa Maria Bianca am Fluß Tagus, die früher auch einmal eine Synagoge gewesen war. Aber die w a r bereits eine Kirche, als
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