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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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in die Pumps mit den hohen Absätzen. Sie hoffte, dass die Knitter in der nächtlichen Beleuchtung nicht allzu sehr auffielen.
    Michaels Herz setzte einen Schlag aus, als er sie erblickte, so unglaublich war die Veränderung.
    KC reichte Michael ihre Handtasche und die Lederrolle, die den Stab des Sultans enthielt.
    »Wo willst du jetzt hin?«, fragte Michael.
    »Ich werde dir einen Anzug besorgen«, erwiderte KC, schlich aus der Tür des Harems und versteckte sich in den Schatten des Diwans, dessen Überdachung und dicke Säulen gegen die Lichter der Party schützten, sodass niemand bemerkte, dass KC aus einer Tür kam, zu der Unbefugten der Zutritt verboten war. Mit einem Satz stand sie unter dem Torbogen, lief majestätischen Schrittes weiter und mischte sich unter die Menschenmenge. Das Fest hatte monumentale Ausmaße; es gab siebenhundertfünfzig Gäste. Vor dem Tor der Glückseligkeit befand sich der Empfangsbereich, wo man ein großes Podest errichtet hatte, genau so, wie es vor fünfhundert Jahren gewesen war, als der Sultan dort auf seinem Thron gesessen hatte, um die Massen zu begrüßen. An der Seite, gleich neben dem Küchenbereich, stand ein Podium für das Orchester, und ein riesiges Zelt erhob sich über den mehr als einhundert Tischen, die mit weißen Leinentüchern gedeckt und mit frischen blauen Schwertlilien geschmückt waren. Auf jedem Tisch standen große königsblaue Taschen, die mit Partygeschenken für die Gäste und Werbeartikeln gefüllt waren, darunter Segeltaschen. KC betrat das Zelt und nahm sich eine dieser Taschen. Sie wusste nicht, was darin war, hoffte aber, dass sie den Inhalt irgendwie würde gebrauchen können.
    Sie drehte sich um und ließ den Blick über die Menschenmasse schweifen: die Power-Elite, leicht zu erkennen an ihrem jugendlichen Alter und ihrer Ausstrahlung, die förmlich herausschrie, dass sie auf dem Weg nach oben waren; die Geschäftsleute, die in ihren Armani-Anzügen einzelne Grüppchen bearbeiteten in der Hoffnung, Geschäftsabschlüsse tätigen zu können; die Politiker, die eifrig potentielle Wählerhände schüttelten und dabei strahlten wie die Honigkuchenpferde. KC fragte sich, ob auch nur einer von diesen Leuten noch daran dachte, weshalb diese Party gegeben wurde und was für ein Meilenstein es für ein vorwiegend islamisches Land war, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Damit wurde eine Brücke zwischen zwei Welten geschlagen.
    KC schaute zum Haupttor und sah zwei Polizisten, die sich mit den Wachen unterhielten. Als sie ihre Blicke über das Gelände schweifen ließ, erspähte sie weitere Wachmänner, die sich mit Polizeibeamten zusammengetan hatten und die Runde machten.
    Im nächsten Moment spürte KC, das jemand sie anstarrte. Dieser Jemand war weder ein Wachmann noch ein Polizeibeamter. Er stand inmitten einer Gruppe von Männern mittleren Alters, die alle Drinks in der Hand hielten, und grinste sie anzüglich an. KC betrachtete den Mann genauer. Er war eins achtzig groß, breitschultrig und tadellos gekleidet. Der schwarze Anzug war von Zegna, und die Hermès-Krawatte passte genau zu dem Einstecktuch, das die blaue Farbe der Flagge der Europäischen Union hatte.
    Der Mann löste sich aus der Gruppe, kam auf KC zu und nahm im Vorübergehen zwei Champagnerflöten vom Tablett eines Kellners. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, und seine braunen Augen lagen unter schweren dunklen Lidern. Er lächelte, als er sich KC näherte, und reichte ihr eines der Gläser.
    »Guten Abend.«
    KC erwiderte sein Lächeln.
    »Jean Frank Gittere«, stellte der Mann sich vor, und sie stießen miteinander an.
    »Katherine«, erwiderte KC.
    »Sind Sie allein hier?«
    KC nickte.
    »Was für ein Zufall!«
    KC warf einen verstohlenen Blick auf den Ehering, den er am Finger trug.
    »Haben Sie schon zu Abend gegessen?«, fragte Jean Frank.
    »Zu viel, fürchte ich. Ich werde morgen ein paar Extrarunden joggen müssen.« KC fuhr sich bedächtig mit der Hand über den Kopf, mit einer geübt langsamen, verführerischen Bewegung.
    Jean Frank lächelte und schaute in Richtung des Orchesters, das gerade mit einem neuen Stück begann. Leute erhoben sich von ihren Stühlen und begaben sich auf die Tanzfläche. »Darf ich Sie um einen Tanz bitten?«
    »Vielen Dank.« KC lächelte. »Aber nein. Ich bin eine entsetzliche Tänzerin und möchte nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von mir bekommen. Ein Spaziergang vielleicht?«
    Jean Frank nickte und hob galant den Arm. KC

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