Der Dieb der Finsternis
zu bringen, nach seiner Pfeife zu tanzen, indem er ihr und Simon das sprichwörtliche Messer an die Kehle hielt.
»Angst ist die instinktive Motivation, die uns am Leben erhält, unser primitivster Urinstinkt, der unser Überleben garantiert. Angst lässt uns in Krisenzeiten erfinderisch werden und über Lösungsmöglichkeiten nachdenken, die uns in Zeiten der Geborgenheit niemals in den Sinn kämen.
Mit Angst, die gezielt geschürt wird von einem Menschen, der sich darauf versteht, lassen sich große Ziele erreichen – Erfolg, Geld, Ruhm. Wenn du weißt, wovor ein Mensch sich fürchtet, kannst du ihn dazu bringen, so ziemlich alles zu tun, was du willst. Manche Leute arbeiten härter, wenn sie Angst haben, hinausgeworfen zu werden, und die meisten haben ihr Leben lang Angst vor dem Tod, was sie veranlasst, an den Allmächtigen zu glauben.
Seit Jahrtausenden wird die Angst benutzt, um Völker zu regieren. Den mildtätigen Herrscher, den wohlwollenden König gab es immer nur im Märchen. Könige wurden gefürchtet.
Woher kommt es, dass wir Menschen beten, wenn die Angst uns übermannt? Dass wir dann anfangen, um göttliches Eingreifen zu beten? Um einen Ausweg? Um die Erlösung von dem Übel, das uns ängstigt, egal, ob es sich dabei um ein Ungeheuer handelt, den Tod oder sogar unsere eigene Natur?
Aber Angst kann die Menschen auch über sich selbst hinauswachsen lassen. Weißt du, wovor deine Schwester sich fürchtet? Nicht vor dem Tod, nicht vor dem schwarzen Mann. Sie fürchtet sich vor allem, was dein Weiterleben bedroht. Das hat sie schon immer getrieben. Sie hatte panische Angst, dich zu verlieren, nicht in der Lage zu sein, dich zu erhalten. Das hat sie dazu getrieben, Dinge zu tun, die die meisten Menschen niemals in Betracht ziehen würden – Dinge, über die eine edel gesinnte, moralische Gesellschaft die Nase rümpft. Trotzdem hat sie sich nie beklagt. Du hingegen lebst gerade einmal lächerliche zwei Tage in Angst und verdammst sie gleich für die Opfer, die sie deinetwegen gebracht hat.
Ich hoffe, du hast Angst.« Endlich hielt Iblis inne, trat aber auch wieder näher an Cindy heran. »Und ich hoffe, dir ist bewusst, dass dein Leben in meiner Hand liegt.«
»Glaubst du, ich hätte Angst vor dem Tod?« Cindy versuchte es mit Dreistigkeit.
»Es gibt Dinge, die sind schlimmer als der Tod.« Mit eisigem Blick starrte Iblis sie an. »Viel schlimmer.«
»Der Tod ist das Ende aller Dinge«, widersprach Cindy. »Es gibt kein Leben danach. Wir hören einfach auf zu existieren.«
»Das glaubst du?« Iblis grinste.
»Kannst du mir das Gegenteil beweisen?«
»Sie haben dir so viel Bildung eingetrichtert, dass sie Gott herausfiltern mussten, damit noch mehr Bildung hineinging, nicht wahr?« Iblis schüttelte den Kopf.
In Cindy stieg Wut auf. Sie fühlte sich angegriffen von Iblis’ Kommentar. »Ich könnte mir vorstellen, dass das gerade für Menschen wie dich und KC eine gute Sache wäre. Kein Jüngstes Gericht für eure Taten.«
»Muss ich dich daran erinnern, dass dein fehlender Glaube eine ebenso schwere Sünde ist?«
Cindy verdrehte die Augen. »Ich werde mich hier doch nicht mit einem Psychopathen auf eine theologische Debatte einlassen.«
»Wirklich nicht?«, hakte Iblis nach.
»Du würdest verlieren, glaub mir.«
Iblis zog die Brauen hoch und grinste. »Dir ist es wichtiger, recht zu behalten, als die Wahrheit zu ergründen.«
»Du kannst nicht beweisen, dass es Gott gibt, oder den Teufel, oder ein Leben im Jenseits.«
»Hast du jemals etwas einfach geglaubt?«
»Ich glaube nur an Dinge, die ich anfassen kann, die sich wissenschaftlich beweisen lassen.«
»Die sich wissenschaftlich beweisen lassen?«
Cindy saß da, unnachgiebig und wütend.
»Du bist einer der Player der Finanzwelt«, sagte Iblis. »Du bereicherst dich am Missgeschick anderer. Alles Geld, das du verdienst, hat ein anderer verloren.«
»Das ist legal«, verteidigte Cindy sich.
»Ist es denn auch moralisch?«
»Ausgerechnet du hast die Frechheit, mir etwas von Moral erzählen zu wollen?«
»Die Firma, für die du in Zukunft arbeiten wirst, wird dir sehr wahrscheinlich ein Vermögen zahlen.«
»Ich bekomme, was ich wert bin«, schoss Cindy zurück.
»Glaubst du wirklich? Was, wenn du feststellen musst, dass du lediglich eine Schachfigur in einem sehr viel größeren Spiel bist? Ist es nicht genau das, was die meisten Arbeitsbienen in einer großen Firma sind? Schachfiguren, die sich tagaus, tagein abrackern, um
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