Der Dieb der Finsternis
waren. Das Pochen seines Herzens dröhnte ihm in den Ohren, und mit jedem Schlag bahnte die Furcht sich weiter ihren Weg in seine Seele.
»Es gibt nichts, absolut nichts auf dieser Welt, was ich mir nicht beschaffen kann, ob es sich dabei um Macht, Geld oder irgendeinen Menschen handelt. Wenn ich mir problemlos Zugang zu einem Banksafe in Zürich verschaffen kann, um diese Papiere hier herauszuholen – stell dir vor, zu was ich dann fähig bin, wenn jemand mich ärgert.«
Iblis konnte seine Furcht nicht mehr verbergen. Es war das erste Mal, dass er sie spürte, seit er ein Kind gewesen war. Dieser Venue konnte im wahrsten Sinne des Wortes durch Wände greifen, um zu bekommen, was er wollte.
»Wie ich bereits sagte, hätte ich es nicht anders erwartet«, meinte Venue, während er die Dokumente in der Hand schwenkte. »Und ich nehme es dir auch nicht übel. Es ist gescheit, so etwas zu tun, um sich selbst zu schützen. Wenn du nichts getan hättest, hätte ich dich wahrscheinlich getötet, weil du zu naiv wärst, um für mich zu arbeiten.
Damit steht jetzt fest, dass keiner von uns beiden dem anderen traut, und wir wissen, dass jeder von uns die Fähigkeit besitzt, andere zu töten. Ich will lediglich, dass du begreifst, dass du jetzt für mich arbeitest und dass es ein Job fürs Leben ist. Ich werde dich auf das Großzügigste bezahlen, deine Urteilsfähigkeit respektieren, und ich werde dich um Rat bitten. Aber ich hoffe, dass dir klar ist, dass ich die Macht und die Möglichkeiten habe, dein Leben zu beenden, falls ich mich dazu entscheiden sollte.«
15.
M ichael, Busch und KC waren wieder in Michaels Hotelsuite. Überall auf dem Fußboden standen Tabletts mit Speisen. Sie gingen Simons voluminösen Dokumentenstapel durch, in dem es um den Topkapi-Palast, die Hagia Sophia und den mysteriösen Stab von Selim II. ging.
Busch hatte bereits drei Hamburger vertilgt, denn er hatte beschlossen, die lokalen Köstlichkeiten wie Schafskäse und gewürztes Lamm zu meiden.
»KC«, sagte Michael, »ich weiß, dass man uns aufgefordert hat, die Finger von der Karte zu lassen, aber du hast mir immer noch nicht erzählt, was du darüber weißt. Wenn wir Cindy zurückbekommen und Simon rechtzeitig finden wollen, musst du mir alles erzählen.«
KC nickte. Michael konnte den Schmerz in ihren Augen sehen, denn es bereitete ihr Mühe, sich zu konzentrieren. Doch sie nahm sich zusammen, trank einen Schluck aus der Wasserflasche, band sich ihr langes blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und wandte sich Michael und Busch zu.
»Die ersten Landkarten waren keine Karten von Städten oder Staaten, sondern von Himmeln«, sagte KC. »Karten von den Sternen, die man an den Wänden der Höhle von Lascaux im Süden Frankreichs gefunden hat. Der Mensch hat immer nach Orientierungshilfen gesucht, ob nun durch Worte oder durch Karten. Einige betrachten die Bibel als eine Art Landkarte, die den Menschen in den Himmel führen wird. Gleiches gilt für den Koran und die Torah. Für manche sind sie spirituelle Landkarten für die Seele.
Bis zum heutigen Tag sind Karten die am häufigsten plagiierten Dokumente auf Erden, da es eine verbreitete Gewohnheit ist, Informationen von älteren Karten abzupausen. Wenn Piraten früher ein Schiff kaperten, suchten sie zuerst nach Karten, denn sie waren von viel größerem Wert als ein Schatz oder Gold, denn Karten konnten sie in bislang unbekannte Teile der Welt führen und sie zu den Herrschern der Meere machen.
Landkarten waren immer das Erste, was gehandelt wurde, wenn Schiffe in einen Hafen einliefen. Für Land- und Seekarten wurden Höchstpreise gezahlt, da sie Aufschluss gaben über die Geheimnisse der Meere – nicht nur über Ziele, auch über die geographische Lage tödlicher Korallenriffe, Unterwasserfelsen, die den Schiffsrumpf zerschmettern konnten, und gefährlicher Untiefen und Uferstreifen.
Die Karte des Piri Reis basiert auf zahllosen älteren Karten. Kemal Reis, Piris Onkel, war ein Korsar. Man geht davon aus, dass viele der Informationen, die in der Karte seines Neffen enthalten sind, von den Land- und Seekarten stammen, die er geraubt hat, während er die Ozeane umsegelte.«
»Geraubt?«, fragte Busch. »Was für ein Typ war er denn? So einer wie Errol Flynn?«
»Korsaren waren Piraten, und die haben geplündert«, erwiderte KC, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
»Ich dachte, ›Reis‹ bedeutet ›Admiral‹.«
»Kannst du dir für deine Flotte einen
Weitere Kostenlose Bücher