Der Distelfink
bedächtigen Bewegungen, die ganz offensichtlich darauf abzielten, ihn zu ärgern, das Radio sehr laut auf und fing an, auf die Tasten zu drücken und zwischen statischem Rauschen und Werbespots hin und her zu schalten.
Die Stereolautsprecher waren so kraftvoll, dass ich das Dröhnen in der Lehne meines weißen Ledersitzes fühlen konnte. Vacation, all I ever wanted … Licht stieg auf und brach durch wilde Wüstenwolken– ein endloser Himmel, ätzend blau wie in einem Computerspiel oder wie in den Halluzinationen eines Testpiloten.
» Vegas 99, mit der Musik der Achtziger und der Neunziger « , sagte eine schnelle, aufgeregte Radiostimme. » Und hier ist für Sie Pat Benatar in unserem Lapdance-Lunch mit den Ladys der Eightys. «
In der Siedlung » Desatoya Ranch Estates « , in 6219Desert End Road, wo in manchen Gärten Bauholz gestapelt war und der Wind den Sand durch die Straße wehte, bogen wir in die Einfahrt eines großen, spanisch– vielleicht auch maurisch– aussehenden Hauses, beigefarben verputzt, mit Fensterläden und Rundbogengiebeln und einem tonziegelgedeckten Dach, das sich in verschiedenen verblüffenden Winkeln neigte. Ich war beeindruckt von der ziellosen Weitläufigkeit mit Simsen und Säulen und dem verschnörkelten schmiedeeisernen Tor, das an eine Kulisse erinnerte, wie eins der Häuser in einer der Telemundo-Soaps, die unsere Pförtner immer im Postzimmer anschauten.
Wir stiegen aus und gingen mit unseren Koffern außen herum zur Garageneinfahrt, als ich ein gespenstisches, verstörendes Geräusch hörte: ein Schreien oder Weinen, das aus dem Haus kam.
» Meine Güte, was ist denn das? « Entnervt ließ ich meine Koffer fallen.
Xandra lehnte sich zur Seite, ein bisschen wacklig auf den hohen Schuhen, und kämpfte mit ihren Schlüsseln. » Oh, halt’s Maul, halt’s Maul, scheiße, halt’s Maul « , murmelte sie vor sich hin. Bevor sie die Tür ganz geöffnet hatte, kam mit schrillem Gekläff ein hysterischer, struppiger Mopp herausgeschossen und sprang und tanzte und tollte um uns herum.
» Platz! « , schrie Xandra. Durch die halb offene Tür kam Safari-Musik (mit trompetenden Elefanten und schnatternden Affen), und zwar so laut, dass ich sie bis zur Garage hören konnte.
» Wow « , sagte ich und spähte ins Haus. Die Luft im Haus roch heiß und abgestanden, nach altem Zigarettenrauch, neuem Teppichboden und– ganz ohne Frage– Hundescheiße.
» Den Zoowärter stellen Großkatzen vor eine ganze Reihe von einzigartigen Herausforderungen « , dröhnte eine Stimme aus dem Fernseher. » Wir begleiten Andrea und ihre Mitarbeiter auf ihrer morgendlichen Runde. «
» Hey. « Ich blieb mit meinem Gepäck in der Tür stehen. » Ihr habt den Fernseher angelassen. «
» Ja. « Xandra drängte sich an mir vorbei. » Das ist › Animal Planet ‹ . Läuft für ihn. Für Popper. Platz, hab ich gesagt! « Sie fauchte denHund an, der mit seinen Krallen an ihren Knien kratzte, als sie auf ihren Plateausohlen zum Fernseher humpelte und ihn abschaltete.
» Er ist allein hiergeblieben? « , rief ich über das schrille Kläffen des Hundes hinweg. Er war einer von diesen langhaarigen Mädchenhunden, und in sauberer Verfassung wäre er weiß und fluffig gewesen.
» Oh, er hat einen Trinkbrunnen von Petco. « Xandra wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und stieg über den Hund hinweg. » Und einen von diesen großen Futterspendern. «
» Was ist das für eine Rasse? «
» Ein Malteser. Reinrassig. Ich hab ihn in der Tombola gewonnen. Ich meine, ich weiß, er muss gebadet werden, es ist eine Wahnsinnsarbeit, sie zu pflegen. Ganz recht, sieh dir nur an, was du mit meiner Hose gemacht hast « , sagte sie zu dem Hund. » Weiße Jeans. «
Wir standen in einem großen, offenen Raum mit hohen Decken und einer Treppe auf der einen Seite, die zu einem Mezzanin mit Geländer hinaufführte. Der Raum war fast so groß wie die ganze Wohnung, in der ich aufgewachsen war. Aber als meine Augen sich von dem grellen Sonnenlicht erholt hatten, sah ich, wie kahl er war. Knochenweiße Wände. Ein gemauerter Kamin mit künstlichem Jagdhütten-Appeal. Ein Sofa wie aus einem Krankenhauswartezimmer. Den Glastüren zur Terrasse gegenüber erstreckte sich eine Wand mit Einbauregalen, die größtenteils leer waren.
Mein Dad kam ächzend herein und ließ sein Gepäck auf den Teppichboden fallen. » Mein Gott, Xan, es riecht nach Scheiße hier drin. «
Xandra beugte sich vor, um ihre Handtasche abzulegen,
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