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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Kopf auf meine Tasche. » Passt er da rein? «
    » Ähm… «
    » Wahrscheinlich musst du diese Tasche sowieso zum Gepäck geben. Sie könnte zu groß sein, um sie mit in den Bus zu nehmen– sie verstauen sie im Laderaum. Es ist nicht wie im Flugzeug. «
    » Ich… « Das alles war zu kompliziert. » Ich habe nichts. «
    » Warte. Lass mich mal in meinem Büro nachsehen. « Er stieg aus, ging zum Kofferraum und kam mit einer großen Stoffeinkaufstasche von einem Bioladen mit dem Aufdruck The Greening of America zurück.
    » An deiner Stelle würde ich reingehen und die Fahrkarte ohne Fluffy Boy kaufen « , sagte er. » Lass ihn hier draußen bei mir, nur für alle Fälle, okay? «
    Mein neuer Kumpel hatte recht gehabt, was die Fahrt in einem Greyhound ohne ein von einem Erziehungsberechtigten unterschriebenes Formular für allein reisende Kinder betraf– und es gab noch weitere Beschränkungen für Kinder. Die Frau hinter dem Verkaufsfenster– eine blasse Chicana mit nach hinten gekratztem Haar begann mit monotoner Stimme, die lange unheilvolle Liste vorzutragen. Kein Umsteigen. Keine Fahrten, die länger als fünf Stunden dauerten. Wenn die auf dem Formular für allein reisende Kinder benannte Person nicht mit einem gültigen Dokument ihrer Identität am Zielbahnhof erschien, um mich abzuholen, würde man mich der Obhut der Jugendfürsorge oder Gesetzesvertretern meines Zielorts überstellen.
    » Aber… «
    » Das gilt für alle Kinder unter fünfzehn Jahren. Ohne Ausnahme. «
    » Aber ich bin nicht unter fünfzehn. « Hektisch kramte ich meinen offiziell aussehenden Personalausweis des Staates New York hervor. » Ich bin fünfzehn. Sehen Sie. « Enrique– der womöglich die Wahrscheinlichkeit vorausgesehen hatte, dass ich in dem landen könnte, was er › Das System ‹ nannte– hatte mich kurz nach dem Tod meiner Mutter zu einem Fotografen geschleift, und auch wenn ich mich damals gewehrt hatte, von wegen Big Brothers weit reichende Kralle und so ( » Wow, mit deinem eigenen Barcode « , hatte Andy gesagt und ihn neugierig betrachtet), war ich jetzt dankbar, dass er so vorausschauend gewesen war, mich wie einen Gebrauchtwagen anzumelden. Ich wartete betäubt im schmutzigen Neonlicht wie ein Flüchtling, während die Ticketverkäuferin den Ausweis aus verschiedenen Winkeln und bei unterschiedlichem Lichteinfall betrachtete, bis sie ihn schließlich für echt befand.
    » Fünfzehn « , sagte sie argwöhnisch und gab ihn mir zurück.
    » Genau. « Ich wusste, dass ich jünger aussah. Mir wurde klar, dass sich die Frage, in Sachen Popper ehrlich zu sein, gar nicht stellte, denn auf einem großen Schild neben dem Verkaufstresen stand in roten Lettern: DER TRANSPORT VON HUNDEN , KATZEN , VÖGELN , NAGETIEREN , REPTILIEN UND ANDEREN TIEREN IST AUSGESCHLOSSEN .
    Mit dem Bus selber hatte ich Glück: Er ging um 01.45Uhr mit Anschluss nach New York und sollte in einer Viertelstunde abfahren. Während die Maschine mit einem mechanischen Schmatzen mein Ticket ausspuckte, stand ich benommen da und überlegte, was zum Teufel ich mit Popper machen sollte. Als ich wieder hinausging, hoffte ich halb, der Fahrer wäre weggefahren– vielleicht um Popper zu einem liebevolleren und sichereren Zuhause zu bringen–, doch stattdessen trank er eine Dose Red Bull und telefonierte auf seinem Handy, Popper war nirgends zu sehen. Er beendete den Anruf, als er mich dort stehen sah. » Was denkst du? «
    » Wo ist er? « Ich blickte erschöpft auf die Rückbank. » Was haben Sie mit ihm gemacht? «
    Er lachte. » Jetzt sieht man ihn nicht… und jetzt sieht man ihn! « Mit einer schwungvollen Geste, nahm er ein nachlässig gefaltetes Exemplar der USA Today von der Stofftasche auf dem Beifahrersitz– und darin lag, in einem Pappkarton friedlich Kartoffelchips kauend, Popper.
    » Ablenkung « , sagte er. » Der Karton füllt die Tasche aus, sodass sie nicht hundeförmig aussieht, und gibt ihm ein wenig Bewegungsfreiheit. Und dann die Zeitung– das perfekte Requisit. Deckt ihn zu, lässt die Tasche voll aussehen, wiegt nicht viel. «
    » Glauben Sie, es wird klappen? «
    » Nun, ich meine, er ist so ein kleines Kerlchen– keine drei Kilo oder was? Ist er still? «
    Ich sah den auf dem Boden des Kartons zusammengerollten Popper skeptisch an. » Nicht immer. «
    J.P. wischte sich mit den Handrücken den Mund ab und gab mir die Tüte Kartoffelchips. » Gib ihm ein paar von denen, wenn er zappelig wird. Ihr werdet alle paar Stunden Pause

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