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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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wiedergefundenen Rembrandt erwähnt:… hat die Aufmerksamkeit auf weitere wertvolle Werke gelenkt, die nach wie vor vermisst werden, insbesondere Carel Fabritius’ Distelfink von 1654, einzigartig in den Annalen der Kunst und daher von unschätzbarem Wert …
    Ich löschte zum dritten oder vierten Mal die Browserchronik und schaltete den Computer aus, bevor ich ein wenig steif ins Bett kroch und das Licht ausmachte. Ich hatte noch die Tüte mit Pillen, die ich Xandra gestohlen hatte– Hunderte in verschiedenen Farben und Formen, laut Boris alles Schmerzmittel, und auch wenn sie meinen Dad immer sofort umgehauen hatten, hatte ich ihn auch darüber klagen hören, dass sie ihn nachts wach hielten–, aber nachdem ich gut eine Stunde gelähmt vor Unbehagen und Unentschlossenheit dagelegen, mich seekrank von einer auf die andere Seite gewälzt und den Widerschein der Lichter vorbeifahrender Autos an der Decke verfolgt hatte, machte ich die Lampe wieder an, kramte in der Nachttischschublade und wählte zwei verschiedenfarbige Pillen aus, eine blaue und eine gelbe, weil ich mir dachte, wenn die eine mich nicht einschlafen ließ, dann vielleicht die andere.
    Von unschätzbarem Wert. Ich drehte mich zur Wand. Der wiedergefundene Rembrandt war auf vierzig Millionen geschätzt worden. Aber vierzig Millionen waren immerhin noch ein konkreter Wert.
    Von der Avenue drang der schrille Lärm einer Feuerwehrsirene und verlor sich langsam in der Ferne. Autos, LKW , laut lachende Paare, die aus den Bars kamen. Während ich wach lag, versuchte, an beruhigende Dinge wie Schnee und Sterne in der Wüste zu denken, und hoffte, dass ich nicht versehentlich eine tödliche Mischung geschluckt hatte, klammerte ich mich fest an die einzige hilfreiche oder tröstliche Information, die meine Online-Lektüre zutage gefördert hatte: Gestohlene Gemälde waren praktisch unmöglich aufzuspüren, wenn niemand versuchte, sie zu verkaufen oder an einen anderen Ort zu bringen, weshalb nur zwanzig Prozent aller Kunstdiebe gefasst wurden.

KAPITEL 8
    Der-Laden-hinter-dem-Laden, Fortsetzung

I
    Meine Angst und Sorge wegen des Bilds waren so groß, dass davon die Ankunft des Briefes ein wenig überschattet wurde: Ich war für das Frühjahrssemester eines Early-College-Programms angenommen worden. Die Nachricht war so ein Schock für mich, dass ich den Brief in eine Schreibtischschublade stopfte, wo er zwei Tage lang neben Weltys Briefpaper mit Monogramm lag, bis ich schließlich den Mut aufbrachte, zum oberen Absatz der Treppe zu gehen (aus der Werkstatt drang das lebhafte Kratzen einer Handsäge) und zu rufen: » Hobie? «
    Das Sägen verstummte.
    » Ich bin angenommen. «
    Hobies großes blasses Gesicht tauchte am Fuß der Treppe auf. » Was hast du gesagt? « Noch wie in Trance, vertieft in seine Arbeit, noch nicht ganz da, wischte er sich die Hände ab und hinterließ weiße Abdrücke auf seiner schwarzen Schürze. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, als er den Umschlag sah. » Ist es das, was ich denke? «
    Wortlos reichte ich ihm den Brief. Er las ihn, sah mich an– und lachte dann sein irisches Lachen, wie ich es nannte, rau und ein wenig überrascht von sich selbst.
    » Gut gemacht! « , sagte er, band seine Schürze ab und hängte sie über das Treppengeländer. » Ich bin froh, das sage ich dir ganz ehrlich. Und wann wolltest du es erwähnen? An deinem ersten Schultag? «
    Ich fühlte mich schrecklich, weil er sich so freute. Bei unserem Abendessen zur Feier des Anlasses– ich, Hobie und Mrs. DeFrees bei einem kleinen, schlecht besuchten Italiener um die Ecke– blickte ich zu dem Wein trinkenden Paar an dem einzigen anderen besetzten Tisch, und statt wie erhofft glücklich zu sein, war ich nur gereizt und wie betäubt.
    » Prost! « , sagte Hobie. » Der schwierige Teil ist vorbei. Jetzt kannst du ein bisschen freier atmen. «
    » Du musst so froh sein « , sagte Mrs. DeFrees, die sich den ganzen Abend bei mir untergehakt hatte, immer wieder meinen Arm drückte und entzückt zwitscherte. ( » Du siehst bien élégante aus « , hatte Hobie zu ihr gesagt, als er sie auf die Wange küsste: graues, hochgestecktes Haar und Samtbändchen, die durch die Glieder ihres Diamantarmbands gefädelt waren.)
    » Ein Vorbild an Entschlossenheit! « , lobte Hobie mich ihr gegenüber. Ich fühlte mich noch schlechter, wenn ich hörte, wie er seinen Freunden erzählte, wie fleißig ich gelernt hatte und was für ein ausgezeichneter Schüler ich war.
    » Nun,

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