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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Idee. « Er klang, als redete er mit einem Fünfjährigen. » Und willst du wissen, warum? «
    » Überleg doch. Es ist der einfachste Weg. Du müsstest überhaupt nichts tun. «
    Boris stellte behutsam sein Bierglas ab.
    » Sie hätten die größte Chance, es unbeschädigt zurückzuholen. Und wenn ich es mache, wenn ich sie anrufe– Scheiße, ich könnte Hobie anrufen lassen… « Ich hob die Hände an den Kopf. » Wie man es auch dreht, ihr würdet dabei gar nichts riskieren. Ich will damit sagen… « Ich war müde, desorientiert, zwei Augenpaare starrten mich an wie Bohrmaschinen, und ich konnte nicht denken. » Wenn ich es mache oder sonst jemand, der nicht zu eurer, äh, Organisation gehört… «
    Boris lachte laut auf. » Organisation? Na ja « , er schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm die Haare in die Augen fielen, » vermutlich gelten wir als so was wie eine Organisation, weil wir ja drei oder mehr Leute sind! Aber wir sind weder sehr groß noch sehr organisiert, wie du siehst. «
    » Du solltest essen « , sagte Juri in der angespannten Pause, die jetzt folgte, zu mir und schaute auf meinen Teller mit Schweinefleisch und Kartoffeln, den ich noch nicht angerührt hatte. » Er sollte essen « , sagte er zu Boris. » Sag ihm, er soll essen. «
    » Lass ihn verhungern, wenn er will. Jedenfalls… « Boris nahm ein Stück Schweinefleisch von meinem Teller und steckte es in den Mund.
    » Ein Anruf. Ich mach’s. «
    » Nein. « Boris sah plötzlich finster aus und schob seinen Stuhl zurück. » Das machst du nicht. Nein, nein, verdammte Scheiße, halt’s Maul, das machst du nicht . « Aggressiv hob er das Kinn, als ich versuchte, ihm ins Wort zu fallen– und ganz plötzlich lag Juris Hand auf meinem Handgelenk, eine Berührung, die ich sehr gut kannte, die alte, vergessene Sprache von Vegas, die zum Einsatz kam, wenn mein Dad in der Küche seine Tirade darüber hielt, wem eigentlich dieses Haus gehört? und wer hier für was bezahlte?…
    » Und, und… « Boris nutzte die Verzögerung in meiner Reaktion, die er nicht erwartet hatte. » Wirst du sofort aufhören mit diesem dummen › Anrufen ‹ -Gequatsche. › Anrufen, anrufen ‹« , fuhr er fort, als ich nicht antwortete, und wedelte verächtlich mit der Hand herum, als wäre » Anrufen « ein absurdes Kinderwort wie » Einhorn « oder » Feenland « . » Ich weiß, willst du helfen, aber das ist nicht hilfreicher Vorschlag von dir. Also vergiss es. Schluss mit › Anrufen ‹ . Jedenfalls « , sagte er dann liebenswürdig und goss mir etwas von seinem Bier in mein halb leeres Glas. » Wie ich dir erklärt habe. Wenn Sascha es so eilig hat? Denkt er klar? Denkt er mehr als einen, vielleicht zwei Züge voraus? Nein. Sascha ist nicht von hier. Seine Verbindungen hier sind Gift für ihn. Er braucht Geld. Und er strengt sich so sehr an, Horst nicht in die Quere zu kommen, dass er läuft mir geradewegs über die Füße. «
    Ich sagte nichts. Es wäre kein Problem, die Polizei allein anzurufen. Es gab keinen Grund, Boris oder Juri da überhaupt mit hineinzuziehen.
    » Erstaunlicher Glücksfall, nicht wahr? Und unser Freund, der Georgier– sehr reicher Mann, aber so weit entfernt von Horsts Welt und alles andere als ein Kunstsammler– er wusste nicht mal, wie das Bild heißt. Nur ein Vogel– kleiner gelber Vogel. Aber Cherry glaubt, es ist wahr, wenn er sagt, er hat es gesehen. Sehr mächtiger Mann, was Immobilien angeht? Hier und in Antwerpen? Viel Papier, und für Cherry fast wie ein Vater, aber kein Mensch von großer Bildung, wenn du verstehst. «
    » Wo ist es jetzt? «
    Boris rieb sich energisch die Nase. » Ich weiß es nicht. Das werden sie uns ja nicht verraten, oder? Aber Witja hat sich gemeldet und sagt, er weiß von einem Käufer. Und ein Meeting ist vereinbart. «
    » Wo? «
    » Ist noch nicht klar. Sie haben den Ort schon ein halbes Dutzend Mal geändert. Paranoid. « Mit einer kreisenden Fingerbewegung an seiner Schläfe stellte er eine lockere Schraube dar. » Vielleicht lassen sie uns ein, zwei Tage warten. Vielleicht erfahren wir es erst eine Stunde vorher. «
    » Cherry « , sagte ich und brach ab. Witja war die Abkürzung für Cherrys russischen Namen Wiktor– Victor in der anglisierten Version–, aber Cherry war nur ein Spitzname, und über Sascha wusste ich überhaupt nichts: nicht, wie alt er war, nicht seinen Nachnamen, nicht, wie er aussah, nichts, außer dass er Ulrikas Bruder war– und selbst das war im wörtlichen Sinne

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