Der Doge, sein Henker und Ich
Lächeln. Torri bewegte seinen rechten Arm nach oben und ließ die beiden Frauen in die Mündung einer Pistole schauen. »Ja glauben Sie denn, der Doge und sein Henker würden ihren Befreier töten…?«
***
Die Worte schwangen den beiden Frauen entgegen, und Jane schloß sekundenlang die Augen, während sich Renate Gehrmann nicht rühren konnte, so geschockt war sie.
Das Gefühl, dachte Jane. Verflixt noch mal, es hat dich nicht getrogen. Das war eine echte Warnung gewesen vor einer großen Falle, die Torri ihnen zusammen mit dem Dogen und dem Henker gestellt hatte. Jetzt hatte er sein wahres Gesicht gezeigt, und er würde den Frauen keine Chance lassen. Die Waffe redete eine zu deutliche Sprache.
»Überrascht, Signorina Collins?« fragte er.
Jane öffnete die Augen. »Nicht einmal. Ich ahnte, daß Sie ein falsches Spiel trieben.«
»Nur Sie, Kompliment. Selbst diesen Superintendenten habe ich täuschen können.«
»Allerdings.«
»Ich weiß über Sie ein wenig Bescheid, Signorina. Deshalb möchte ich Ihnen auch raten, keine Dummheiten zu machen oder gewisse Pläne zu schmieden. Sind Sie bewaffnet?«
»Nein!«
»Geben Sie Renate Ihre Tasche.« Jane tat es.
»Und Sie werden die Tasche öffnen, umdrehen und den Inhalt zu Boden kippen!«
Die Finger der Deutschen zitterten. Sie konnte sich noch immer nicht mit dem Gedanken anfreunden von einem Himmel in die Hölle geholt worden zu sein. Torri schaute ihr spöttisch zu, weil sie mit dem Öffnen der Tasche ihre Mühe hatte, es schließlich schaffte und die Tasche umdrehte, so daß der Inhalt herausfiel und sich vor ihren Füßen über den Boden ergoß.
Ausweis, Taschentücher, Lippenstifte, auch John Sinclairs Papiere — seine Kleidung lag noch im Boot —, aber keine Waffe. Torri nickte zufrieden, meinte gleichzeitig: »Ich glaube, Signorina Collins, Sie haben die tatsächlichen Gefahren unterschätzt. Oder sehe ich das falsch?«
»Da könnten Sie recht haben.«
Er lachte leise. »Jetzt brauchen wir nur nur noch auf Giancarlo Cabrisi und Turrio zu warten. Sie werden kommen, und sie werden wahrscheinlich ein Andenken für Sie mitbringen, das Sie sich vor Ihrem Ableben anschauen können. Den Kopf Ihres Freundes John Sinclair!«
Den letzten Satz hatte er scharf und hart ausgesprochen. Renate Gehrmann war geschockt. Sie preßte ihre Hand auf den Mund und riß die Augen weit auf.
»Angst?« fragte Torri.
Die Deutsche nickte.
»Ja, jeder hat Angst. Das ist auch gut so. Und Sinclair wird es nicht mehr geben.«
Janes Detektivgespür erwachte. »Warum dies alles? Wie kommen Sie dazu, mit diesen Wesen zu paktieren?«
»Weil ich sie liebe.«
»Sagen Sie nur!«
»ja, denken Sie nach. Überlegen Sie mal, wie ich heiße. Torri. Und jetzt erinnern Sie sich an den Namen des Henkers. Turrio. Lesen Sie daraus nicht eine gewisse Verwandtschaft?«
»Kaum.«
»Dann will ich es Ihnen sagen. Ich bin einer der Nachkommen des Henkers Turrio. Ich kam darauf, weil ich Ahnenforschung betrieb. In Venedig ist noch vieles erhalten geblieben. Durch meinen Beruf bin ich in die Archive gekommen, die anderen Menschen normalerweise verschlossen bleiben. Und dort habe ich geforscht, nicht nur dienstlich, auch privat. Da bin ich auf den Namen des Henkers gestoßen und begann, mich mit seiner Person zu beschäftigen. Der Henker faszinierte mich. Ich wurde zu einem anderen. Während ich seinen Lebenslauf in mich einsaugte, stellte ich fest, daß in mir eine Veränderung vorging, die ich nicht als negativ bezeichnen möchte. Mir machte es plötzlich Spaß, es bereitete mir eine Genugtuung, zu wissen, von wem ich abstamme. Ich forschte weiter und erhielt Informationen über den Tod des Henkers und seines Dogen. Ich bekam einen Haß auf die Menschen, als ich erfuhr, daß Turrio sein Leben in den Bleikammern ausgehaucht hatte.«
»Er hatte nichts anderes verdient!« sagte Jane.
»Doch, das hatte er. Denn er war etwas Besonderes, hören Sie!« Torri kam einen Schritt vor. »Er war etwas Besonderes, das weiß ich genau, denn er hatte, zusammen mit seinem Dogen, die Kräfte der Schwarzen Magie beschworen, und die lassen ihre Diener niemals im Stich. Jeder, der von ihm getötet wurde, war wieder eine Seele für den Teufel. Der mußte Dankbarkeit zeigen.«
»Wie sollte er das?« fragte Jane.
»Indem er sie überleben ließ.« Torri lachte laut. »Man hat sie in die Bleikammern gesteckt, in der Hoffnung, daß es ihnen so ergeht wie den anderen Gefangenen. Es war ein Irrtum. Der Teufel gab
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