Der Doktor und das liebe Vieh
gab auch Tage, da stand ich im hellen Sonnenschein und sah hinauf auf eine meilenlange Nebelschicht, die einer sanft wogenden Wattedecke glich und aus der hier und dort dunkle Baumwipfel oder Bergspitzen hervorblickten.
An diesem Tag aber schlummerten die verschiedenfarbigen Vierecke der Felder im Sonnenschein, und sogar hier oben auf dem Berg war die Luft schwer von den Düften des Sommers. Ein tiefer Friede, den ich immer in der Stille und Leere des Hochmoors spürte, erfüllte mich.
In solchen Augenblicken schien ich außerhalb meiner selbst zu stehen. Es war leicht, auf mein Leben zurückzublicken – bis hin zu jenem Tag, an dem ich beschlossen hatte, Tierarzt zu werden. Ich war damals dreizehn und las im Meccano Magazine einen Artikel über Berufe für Jungen, und beim Lesen wurde mir immer klarer, daß Tierarzt das Richtige für mich war. Aber worauf gründete sich diese Überzeugung? Lediglich darauf, daß ich Hunde und Katzen liebte und keine Lust hatte, mein Leben am Schreibtisch zu verbringen. Eine schwache Basis für den Aufbau einer Karriere. Ich wußte nichts über Landwirtschaft oder Vieh, und wenn ich auch auf dem College einiges Wissen über diese Dinge erwarb, so stand es für mich doch von Anfang an fest, daß ich Arzt für Kleintiere werden würde. Diesen Plan verfolgte ich bis zum Zeitpunkt meines Examens. Ich wollte die Lieblingstiere der Leute in meinem eigenen Tierkrankenhaus behandeln, wo alles nicht nur modern, sondern ultramodern sein sollte. Ein Operationssaal, ausgestattet mit allen Schikanen, ein Laboratorium und ein Röntgenzimmer – das alles stand bis zu meinem Examen kristallklar vor meinen Augen.
Und weshalb saß ich in Hemdsärmeln und Wellingtons hier oben im Hochland von Yorkshire und roch vage nach Kühen?
Der Sinneswandel hatte sich schlagartig vollzogen, fast unmittelbar nach meiner Ankunft in Darrowby. Die Stellung, die mir in jenen Tagen der großen Arbeitslosigkeit wie ein Gottesgeschenk erschien, hatte lediglich ein Sprungbrett zu meinem eigentlichen Ziel sein sollen. Aber dann war alles anders gekommen.
Vielleicht lag es an der Luft, deren unglaubliche Süße mich immer von neuem überraschte, wenn ich morgens hinaustrat in den alten, verwilderten Garten von Skeldale House. Vielleicht lag es an der Pikanterie des Zusammenlebens in einem bezaubernden alten Haus mit meinem begabten, wenn auch reizbaren Chef Siegfried und seinem Bruder Tristan. Oder vielleicht hatte ich einfach erkannt, daß die Behandlung von Kühen und Schweinen, von Pferden und Schafen eine ungeahnte Faszination besaß, und das hatte zu einer neuen Konzeption meiner selbst geführt: Ich war ein winziges Rad in der großen Maschinerie der britischen Landwirtschaft.
Ich stieg in den Wagen und überflog die Liste meiner Besuche. Es war gut, wieder hier zu sein, und der Tag verging wie im Flug. Gegen sieben Uhr abends, gerade als ich dachte, jetzt hätte ich es geschafft, kam ein Anruf von Terry Watson, einem jungen Landarbeiter, der zwei Kühe besaß. Eine von ihnen, sagte er, sei an Sommermastitis erkrankt. Mitte Juli war ein bißchen früh dafür, aber im Spätsommer hatten wir mit Hunderten solcher Fälle zu tun. Es war eine unangenehme Krankheit, fast unheilbar, und sie führte meistens zur Verödung einer Zitze und des dazugehörigen Drüsengewebes, manchmal sogar zum Tod des Tieres.
Terry Watsons Kuh sah sehr krank aus. Als sie zur Melkzeit vom Feld zurückkam, hatte sie ihr rechtes Hinterbein weit nach außen geschwungen, damit es das schmerzende Euter nicht berührte. Nun stand sie zitternd im Stall, und ihre Augen starrten angstvoll geradeaus. Ich zog sanft an der entzündeten Zitze, und statt Milch spritzte eine dunkle, übelriechende Flüssigkeit in die Blechdose, die ich darunter hielt.
»Dieser Gestank schließt jeden Irrtum aus, Terry«, sagte ich. »Es ist eine echte Sommermastitis.« Ich befühlte das heiße, geschwollene Euter. »Ziemlich hart. Die Sache sieht schlecht aus.«
Terry machte ein verbissenes Gesicht, als er mit der Hand über den Rücken der Kuh strich. Er war Anfang zwanzig, hatte eine Frau und ein Baby. Wenn er sich den ganzen Tag für andere abgerackert hatte, ging er nach Hause und kümmerte sich um sein eigenes Viehzeug. Er hatte zwei Kühe, ein paar Schweine und Hühner, und das bedeutete eine ganz hübsche Nebeneinnahme für jemanden, der von dreißig Shilling in der Woche leben mußte.
»Ich kann’s gar nicht verstehen«, murmelte er. »Meistens kriegen es
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