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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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dunkelhaarig und zerbrechlich, wie Jon groß und blond und kräftig war. Die beiden waren seit vier Jahren verheiratet und ein klassisches Beispiel dafür, dass Gegensätze sich magisch anziehen. Sie gingen zusammen durch dick und dünn. Sie hatten ein paar schwierige Zeiten überstehen müssen, als Jon erst arbeitslos gewesen und dann beruflich nach Hollywood gezogen war – er arbeitete als Maskenbildner, und sein Beruf zwang ihn immer wieder, zwischen Ost- und Westküste hin- und herzupendeln. Auch mit Andreas Anfällen von Depression hatten sie zu kämpfen gehabt. Die waren schlimmer geworden, seit sie wegen des Kindes nicht mehr arbeitete. Dennoch hatten die beiden all das durchgestanden und waren zusammengeblieben. Als Jons Karriere immer besser lief, wäre es eigentlich an der Zeit gewesen, mit der Familie ganz nach Los Angeles zu ziehen, doch nach den beiden Morden war die Entscheidung aufgeschoben worden, damit die zwei in meiner Nähe bleiben konnten, bis es mir besserging. Zumindest ich zweifelte daran, dass das je wieder der Fall sein würde.
    Jon setzte Susanna auf dem Bettende ab, nur ein paar Zentimeter von meinen Füßen entfernt, wo sie es sich bequem machte. Sie setzte sich in ihrem rosafarbenen Kleid in den Schneidersitz und legte sich die Puppe in den Schoß. Das seidige blonde Haar, das noch nie geschnitten worden war, fiel ihr über den kleinen Rücken. Es war atemberaubend für mich, wie natürlich sie sich in Gegenwart ihrer selbstmordgefährdeten Tante benahm. Ich liebte sie dafür, dass sie meinen Ängsten und mir nicht die geringste Beachtung schenkte. Susanna wurde bald drei – genauso alt wie Cece, als sie gestorben war. Jedes Mal, wenn ich Susanna seitdem gesehen hatte, hatte ich im Bett nachts geweint. Sie war ein Jahr jünger als Cece, aber Cece wurde nicht mehr älter, und deshalb würden sie an Susannas Geburtstag, dem vierten Juli, genau gleich alt sein. Ich hatte mich vor diesem Geburtstag gefürchtet, aber jetzt, während ich sie ansah und ihr zartes Gewicht am Ende des Bettes fühlte, ertrug ich es kaum, wie nahe ich davor gewesen war, ihn zu verpassen.
    Andrea beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. «Wir bleiben nur eine Minute.» Aus der Nähe wirkten die dunklen Ringe unter ihren Augen violett. Sie hatte einmal gesagt, dass sie seit Susannas Geburt keine Nacht mehr durchgeschlafen hätte. Wenn man sie so ansah, war es offensichtlich, wie erschöpft sie sein musste.
    Jon schaute mich aus seinen hellblauen Augen an. Unser ganzes Leben lang hatten alle immer gesagt, dass wir dieselben Augen hatten. Ich stellte beruhigt fest, wie sanft sein Blick war. Erleichtert. Traurig. Er war nicht wütend, aber ich erkannte, dass ich ihm wehgetan hatte.
    «Jon, es tut mir leid .»
    «Das muss es nicht, okay? Ich wollte mich nur selbst davon überzeugen – dass mit dir alles in Ordnung ist.» Er kam näher und beugte sich zu mir herunter, bis sein Gesicht direkt vor meinem war. «Ist denn alles in Ordnung mit dir?»
    Was sollte ich da antworten? Ich lebte. Allerdings war ich nicht sicher, ob das auch bedeutete, dass alles in Ordnung war.
    Er küsste mich. «Pass auf dich auf, Karin. Das ist am wichtigsten. Mehr verlangen wir gar nicht, okay? Und mach dir keine Sorgen um uns. Bitte.»
    «Ihr euch auch nicht meinetwegen.»
    Die Stimmung im Zimmer lenkte Susanna von ihrer Puppe ab. Sie schaute uns abwechselnd an, stützte sich auf Hände und Knie, krabbelte am Rand des Betts entlang und landete in meinen Armen. Sie war unerträglich weich. Hatte die perfekte Größe. Ich hielt sie fest und barg mein Gesicht in ihrem Haar.
    Kurz darauf verabschiedeten Jon und Andrea sich, worüber ich gleichzeitig traurig und erleichtert war.
    Nachdem ich sie davon überzeugt hatte, dass ich mit allem versorgt war, machte meine Mutter sich im Haus zu schaffen und räumte auf, während ich im Bett lag. Meine letzte Morphiumspritze wirkte langsam nicht mehr. Während der Schmerz heftiger wurde, lehnte ich mich zurück ins Kissen und versuchte einzunicken, fiel aber nur in einen unruhigen Dämmerschlaf. Mein Bewusstsein gaukelte mir immer wieder Bilder von plötzlichen und gewaltsamen Toden vor. Ich konnte die Augen nicht mehr schließen, ohne sie vor mir zu sehen. Alle. Jackson und Cece zumeist. Und die Aldermans. Ihre Körperteile wie Puzzlestücke, die mein Kopf nicht mehr richtig zusammensetzen konnte. Den Bildern entkommen zu wollen, war sinnlos: Sie waren immer da, drängten sich in mein Bewusstsein.

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