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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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aus der Hosentasche seiner Jeans und klappte es auf. «Sag mir das nochmal mit den Dominos.»
    «Drei, sechs, vier, eins, fünf, zwei, drei.»
    Er tippte die Nummern in sein Handy und speicherte sie. Dann wollte er jemanden anrufen.
    «Ihr Handy funktioniert hier drinnen nicht», rief eine Schwester im Vorbeigehen durch die Tür.
    «Telefonier vom Festnetz», sagte ich.
    Er nahm den Hörer vom Telefon auf meinem Nachttisch und wählte eine Nummer. Ich überlegte, wen bei der Polizei er wohl zuerst benachrichtigen würde. Weil JPP mich in New York angegriffen hatte, würde der Fall jetzt wohl Detective Billy Staples übertragen. Die zuständige Abteilung aus New Jersey saß in Maplewood, Macs Arbeitsplatz und mein altes Revier. Das FBI war auch an der Sache dran, schon ein ganzes Jahr lang bevor wir JPP geschnappt hatten. Höchstwahrscheinlich würden sie alle zusammenarbeiten.
    «Staples, MacLeary hier.» Seamus MacLeary war seinen Freunden früher zu umständlich gewesen, und so hieß er schon seit dem Kindergarten nur Mac. «Sie ist wach. Price hat ein paar Dominos herausgeholt, als er bei ihr war, muss die Dinger dann aber irgendwann wieder eingesteckt haben.» Er spulte die Zahlen ab. Ich war erstaunt, dass er sie gleich behalten hatte, andererseits arbeitete das Gehirn in Augenblicken der Verzweiflung auf Hochtouren. Für einen kurzen Moment überzeugte seine Entschlossenheit mich davon, dass er es schaffen würde, JPP aufzuhalten. Dass Mac der Einzige war, der dieses Ungeheuer daran hindern konnte, noch einen Unschuldigen zu ermorden. Doch sofort fiel mir wieder ein, wie oft wir alle das schon geglaubt hatten, von uns selbst und von einander: Heute ist er dran . Oder: Du erwischst ihn, das spüre ich . Oder auch: Heute ist mein Glückstag . Und wie oft hatten wir uns geirrt.
    Mac legte auf und rief dann Detective Alan Tavarese an, meinen Nachfolger bei der Polizei in Maplewood, und erzählte noch einmal dieselbe Geschichte. Anschließend sah er auf die Uhr.
    «Ich muss los.»
    Er lächelte etwas traurig und beugte sich vor, um mich auf die Wange zu küssen. Ich holte tief Luft, hoffte auf einen Hauch seiner nach Pinien duftenden Seife. Ich wollte, dass er etwas sagte, aber ich wusste nicht, was. Ich wollte, dass er blieb. Und ich konnte es kaum erwarten, dass er ging, zurück zur Sonderkommission, und dafür sorgte, dass dort alles richtig lief. Er schielte noch einmal zu dem pinkfarbenen Umschlag, den er auf meinem Nachttisch abgelegt hatte, auf ein Buch, das mir fremd war, und wandte sich dann zur Tür.
    «Mac?»
    «Ja?»
    Er drehte sich um, sah mich an, sah mich wirklich richtig an. Etwas rührte mein Herz, ein Gefühl, das ich aus der Zeit kannte, als wir Partner gewesen waren: Dieser Mann war ein echter Freund.
    «Ruf mich an, sobald sie alle Sozialversicherungsnummern meiner Familie überprüft haben.»
    «Mache ich.»
    «Und danke, dass du nicht gesagt hast, ich solle mir keine Sorgen machen.»
    «Hat ja doch keinen Zweck.» Als er lächelte, kamen kleine Grübchen neben seinen Mundwinkeln zum Vorschein. «Bleib einfach nur am Leben. Mehr verlange ich nicht.»
    Ich nickte.
    Und dann war er weg.
    Als ich mich nach dem Umschlag streckte, fuhr ich zusammen. Der Schmerz war einfach zu heftig. Wie ein glühendes gnadenloses Messer. Jetzt wusste ich, wie es war, angeschossen zu werden, und ich wünschte das niemandem. Nun ja, bis auf einem vielleicht. Ich konnte noch immer JPPs Gesicht vor mir sehen, nur Millimeter von meinem entfernt. Ich schloss die Augen und versuchte, die Erinnerung zu verscheuchen, aber sie wurde nur intensiver. In meiner Phantasie setzte sich das Bild neu zusammen, mit dem Lauf einer Pistole an seiner Stirn, meinem gekrümmten Finger am Abzug, einer Explosion, die JPP auslöschte. Die Rechnung beglichen. Frieden.
    Eine Träne rollte mir über die Wange; mir war gar nicht aufgefallen, dass ich weinte. Ich kam mir wie ein schrecklicher Idiot vor. Hin- und hergerissen zwischen Bedauern, dass ich die Chance verpasst hatte, mich von ihm umbringen zu lassen, und Scham, weil ich überhaupt so ein Feigling gewesen war. Aber dann fiel mir wieder ein, weswegen ich nicht mehr hatte sterben wollen. Ich hätte mir schon vorher denken können, dass das Dominospiel weiterging; gut, besser spät als nie. Irgendwie musste ich es schaffen, meine Probleme zu verdrängen und mich auf das Einzige zu konzentrieren, was jetzt noch wichtig war: dass ich meine Familie beschützte … was davon noch übrig

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