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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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der Rampe noch schneller. Rannte und rannte.
    Weil er es wirklich war. Ich hatte es geschafft. Ihn aufgespürt. Zum zweiten Mal.
    Schließlich hatte ich den offenstehenden Lastwagen erreicht.
    Den leeren Lastwagen.
    JPP war weg .
    Wie bei einer Zaubershow hatte er sich vor meinen Augen in Luft aufgelöst.
    Ich stand im Lastwagen und schrie seinen Namen: «Martin! Du Freak! Komm und hol mich!»
    Stand da. Allein. Lauschte dem Echo meiner eigenen Stimme.
    Wie hatte er einfach verschwinden können?
    Ich blinzelte. Schaute mich dann noch einmal um.
    Doch er war noch immer, schon wieder, bis in alle Ewigkeit – unauffindbar.
    Ich beugte mich nach vorn, stützte die Hände auf die Knie und atmete schwer, sog stoßweise die staubige Luft in mich hinein. Hustete. Wehrte mich gleichzeitig gegen das aufsteigende Gefühl von Hilflosigkeit. Gegen die alte Verzweiflung.
    Und dann hörte ich ein Geräusch: auf der Rampe. Es klang wie vorsichtige Schritte. Er musste aus dem Lastwagen gesprungen und dann von der anderen Seite wieder auf die Rampe gestiegen sein.
    Ich rannte schnell, noch schneller, raste die Rampe hinauf. Spürte wieder dieselbe Energie und Tatkraft wie vor ein paar Stunden: Hoffnung, Vertrauen in meinen Instinkt und meine Fähigkeiten. Holte auf. Kam ihm näher. So nah.
    «Halt!», schrie ich. «Bleib sofort stehen!»
    Und er hielt an. Zu meiner Überraschung blieb er tatsächlich stehen, drehte sich um und schaute mich an, während der Abstand zwischen uns auf null zusammenschmolz.
    Er streckte die Arme aus, um unseren Zusammenprall abzufedern.
    Ich warf mich mit aller Kraft gegen ihn, er ging zu Boden, und ich setzte mich, ohne zu zögern, breitbeinig auf seinen Körper. Presste mich mit meinem ganzen Gewicht auf ihn, damit er nicht wieder hochkam. Benutzte die Knie wie einen Schraubstock, sodass er auch nicht zur Seite ausweichen konnte. Legte ihm die Hände um den Hals. Beugte mich vor. Drückte zu. Und drückte. Und drückte.
    Ihn mit meinen eigenen Händen zu erwürgen, umzubringen, war eine reine Freude, wie ich sie mir nicht hatte vorstellen können. Ich begriff, wie leicht es war, wenn man es wirklich wollte. Begann ihn in gewisser Hinsicht zu verstehen, während ich ihn erledigte. Fühlte – als ich alles Leben aus ihm herausquetschte –, wie viel Glück, wie viel unfassbares Glück ich hatte, dass ich jetzt die Chance dazu bekam. Und das nicht durch irgendeinen Zufall, sondern weil ich nicht lockergelassen hatte. Ich spürte eine unsagbare Befriedigung … und bei dem Gedanken an Jackson und Cece drückte ich noch kräftiger zu … und noch mehr, als ich an die Aldermans dachte, an jeden Einzelnen von ihnen. An all ihre Gesichter, jetzt nur noch Geister. Sie schoben sich vor das Gesicht des Monsters mit der Maske, verdrängten es vollständig.
    Wie lange er meine Arme schon in seinem Griff hatte, bevor ich es realisierte, Sekunden oder eine ganze Minute, konnte ich nicht sagen. Doch seine Finger umklammerten mich so fest, dass sich die Muskeln in meinem Arm auf einmal verkrampften. Plötzlich öffneten sich meine Hände. Wurden steif. Die Finger spreizten sich, kraftlos.
    Und dann fiel mir auf, dass sein Geruch verschwunden war. Der stechende Gestank, der mich an jenem Abend in meiner Wohnung in Brooklyn so überwältigt hatte: weg . Der Geruch, der mich eingehüllt hatte, als ich vom Stuhl gerutscht war: weg . Der Geruch, an dem man ihn erkennen konnte.
    Stattdessen nahm ich den Duft von Pinien wahr.
    Er schob mich von sich herunter und rang nach Luft, während er sich aufsetzte. Weil ich in meiner Maske fast erstickte, riss ich sie herunter. Im selben Augenblick zog auch er mit einem Ruck die grässliche grüne Maske ab.
    Ungläubig starrten wir einander an.
    Ohne nachzudenken und von meinen Emotionen überwältigt – einer Mischung aus Schuld und Zuneigung, die mich plötzlich überspülte –, beugte ich mich vor und küsste ihn. Seine Lippen waren weich und schmeckten erdbeersüß. Es war der Geschmack der Strawberry Shortcake, die er mutterseelenallein im Restaurant gegessen haben musste. Verlassen. Vielleicht sogar wütend. Es brach mir das Herz.
    «Es tut mir so schrecklich leid», sagte ich.
    «Du hast mich fast umgebracht.»
    «Du bist hergekommen.»
    «Natürlich bin das.»
    «Warum hast du mir nichts davon gesagt?»
    «Ich wollte dir keine falschen Hoffnungen machen, für den Fall, dass er –»
    Ich legte ihm einen Finger an die Lippen und sagte: « Er ist hier .»
     
    Eine Stimme

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