Der Domino-Killer
mit David allein hat.»
Er schaute mich ein wenig skeptisch an.
«Ich mache das wirklich gern.»
Vor dem Haus klappte eine Autotür zu. Jon machte sich auf den Weg, um die nächste Lieferung entgegenzunehmen. Ich ging nach oben und zog mich um.
Um die Mittagszeit lief die Party auf vollen Touren. Alle zwölf Kinder aus Susannas wöchentlicher Dienstags-Spielgruppe waren eingeladen, dazu deren Eltern und Geschwister. Zusammen mit dem Rest unserer Familie, anderen Freunden und Nachbarn kamen wir auf um die fünfzig Gäste.
Wir hatten vier Tische mit pinkfarbenen Tischdecken aufgestellt und sie mit Papptellern und -bechern gedeckt, auf denen Motive aus Aschenputtel zu sehen waren. Weiße, mit Helium gefüllte Ballons waren an Bäume, ans Geländer der Veranda und an die Stuhllehnen gebunden. Auf einem weiteren Tisch war das Buffet aufgebaut. Es gab Platten mit Sandwiches, Cracker, Käse, Keksen, Gemüse und anderen Snacks. Von der mit pink- und lilafarbenen Blumen dekorierten großen Torte waren die Kinder ganz fasziniert: Auf Zehenspitzen standen sie immer wieder davor, während sie sich mit den Fingern an der Tischkante festklammerten, als könnten sie die Torte allein durch hypnotisierende Blicke in ihre ungeduldig wartenden Münder befördern. Allerdings würden sie noch bis nach dem Mittagessen und auf das Unterhaltungsprogramm warten müssen, bevor es die Torte zum Nachtisch gab. Elizabeth Stoppard, besser bekannt als Loopy Lizzie, der Clown, hatte uns zu verstehen gegeben, dass das Anschneiden und Verteilen der Torte der Höhepunkt ihres Auftritts sei.
Inmitten all des fröhlichen Durcheinanders stiegen in mir von Zeit zu Zeit Erinnerungen an Cece auf. Daran, wie wir ihren dritten Geburtstag gefeiert hatten und dass ich selbst einmal die Mutter einer kleinen Tochter gewesen war, die Prinzessinnen und Märchen liebte. Und dann schweiften meine Gedanken wieder weiter. Genauso wie Joyce es mir beigebracht hatte: nicht an Erinnerungen klammern, sondern sie aufsteigen und wieder ziehen lassen. Ohne bewusste Anstrengung. Das war nicht leicht, aber ich übte mich immer wieder darin, und heute funktionierte es ganz gut. Cece lebte in meinem Kopf weiter, in diesem Augenblick, bei dieser Geburtstagsfeier, in Susannas Bewegungen, in jedem Molekül der schwülen Juliluft. Sie war in all diesen Dingen. Und doch auch wieder nicht. Es ging darum, gleichzeitig hier und dort zu existieren, in der Gegenwart und der Vergangenheit, ohne die Gefühle zu unterdrücken. Inzwischen hatte meine Hirnchemie sich nach dem Absetzen der Medikamente wieder eingependelt, und es gelang mir, eine Balance zwischen Trauer und übertriebener Wachsamkeit zu finden. Ich vermisste nicht länger die Intensität, mit der ich jeden einzelnen meiner Gedanken durchdrungen und analysiert hatte. Nein, jetzt konnte ich ruhig dasitzen. Beobachten. Denken. Fühlen. Spazieren gehen, mich um meinen Garten kümmern, beobachten, welche Formen die Wolken am Himmel bildeten, zuhören, wie der Regen gegen die Scheibe prasselte – ohne dabei jedes Mal aufs Neue den Untergang meines Universums zu durchleben.
Am anderen Ende des Rasens füllte meine Mutter die Teller einer immer länger werdenden Schlange von Gästen. Ich ging gerade zu ihr und wollte dabei helfen, als Andrea mich aufhielt und mir David überreichte.
«Könntest du dich kurz um ihn kümmern?»
«Aber gern.»
Dann half sie beim Verteilen des Essens und genoss den kurzen Augenblick der Freiheit, in dem kein Kind an ihrer Rockschürze hing, was einer jungen Mutter nur selten vergönnt war. Und ich freute mich, dass ich David so lange auf dem Arm halten durfte.
Ich küsste das weiche Haar auf seinem Kopf und flüsterte: «Hallo, Maestro.» Er trug einen Strampler mit elegantem Frackaufdruck. Zehn Tage nach seinem ursprünglich errechneten Geburtstermin war er jetzt so weit gewachsen, dass sein Gewicht dem eines Babys gleichen Alters entsprach. Seine Augen waren leuchtend blau, und er hatte sein hübsches Lächeln inzwischen perfektioniert. Gerade jetzt stellte er das unter Beweis – sein kleines Gesicht hellte sich auf, sein Mund öffnete sich, und er zog die Mundwinkel nach oben –, ich trug ihn hinüber zu meinem Vater, den wir am Rand des ganzen Trubels auf einem Stuhl platziert hatten. Ich setzte mich dazu und drehte David ein wenig, sodass mein Vater ihn gut sehen konnte.
Als schließlich alle mit dem Mittagessen fertig waren, standen viele der Kinder aufgeregt vor der Torte. Der Clown
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