Der Domino-Killer
Lieferung anzunehmen. Auf den Seiten des Wagens stand groß Hüpfburgen zu lesen. Ich kam dem Fahrer auf halbem Weg zum Haus entgegen und begrüßte ihn.
«Sind Sie Mrs. Castle?»
«Ich bin ihre Schwägerin.»
«Okay, soll mir reichen», sagte der Mann. «Dann unterschreiben Sie hier. Wann soll ich die Burg wieder abholen?»
«Irgendwann nach fünf.»
Er notierte sich das auf dem gelben Durchschlag des Lieferformulars und überreichte mir das Original. Inzwischen hatten zwei andere Männer damit begonnen, eine bunte Plastikrolle abzuladen, die sie zusammen mit einer großen, batteriebetriebenen Luftpumpe in den Garten hinter dem Haus schleppten.
«Dort hinten hin.» Ich zeigte auf den Platz, den Andrea, meine Mutter und ich für die Burg ausgesucht hatten. Die Männer entrollten das Plastik, bis es als rotes Quadrat vor ihnen auf dem Rasen lag. Steckten die Pumpe ins Ventil. Und langsam reckte sich ein riesiger bunter Würfel in die Höhe.
Als die Burg vollständig aufgeblasen war, kam Jon mit Susanna nach draußen. Sie war jetzt für ihren großen Tag fertig angezogen und trug ein neues geblümtes Kleid in Grün und Lila. Das Haar war mit einer lilafarbenen Schleife zu einem hochsitzenden Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie quietschte, als sie die Hüpfburg sah, und rannte über den Rasen, um sie als Erste auszuprobieren. Während sie darin herumsprang, saßen Jon und ich zusammen auf der Veranda, tranken Kaffee und besprachen die genauen Pläne für die Feier.
Susannas Geburtstag.
Der vierte Juli.
Der Unabhängigkeitstag. Diesmal in mehr als einer Hinsicht.
Obwohl JPP für Susanna keine Gefahr mehr darstellte, dachten wir doch alle ständig an ihn. Als ob wir mit ihm und dem Schrecken, den er über uns gebracht hatte, erst abschließen könnten, wenn der vierte Juli endete, ohne dass JPPs Drohungen wahr geworden waren. Und deshalb feierten wir heute nicht nur Susannas Geburtstag, sondern auch das Ende unseres Albtraums. Den Abschied von der Vorstellung des achten Grabs, vor dem wir uns so lange unweigerlich hatten stehen sehen. Heute bekamen wir die Chance, unsere Geschichte neu zu schreiben. Aus all diesen Gründen war dies ein bedeutsamer Tag für uns. Dass wir am Morgen allesamt aufgewacht waren, nach wie vor lebendig, das machte uns unsagbar glücklich.
Weil wir den Veranda-Tisch für die Party schon auf den Rasen gestellt hatten, balancierte Jon seine Tasse auf dem angewinkelten Knie. Er wirkte müde; nein, nicht einfach müde, sondern älter , nach den schrecklichen vergangenen Monaten. Die Krähenfüße an seinen Augen waren tiefer geworden, und zwischen den Augenbrauen hatte sich eine Furche eingegraben. Und wie ich glaubte, konnte man im hellen Licht der Morgensonne graue Strähnchen in seinen kurzen blonden Locken erkennen.
«Das Wetter ist schön», sagte er.
«Ja, wir haben Glück. Wenn es geregnet hätte …»
«Hätte das die großartige Stimmung wohl ein bisschen gedämpft.»
Er lächelte. Ich lächelte. Wir schauten beide hinüber zu Susanna, die sich lachend in der Hüpfburg fallen ließ. Die Sonne stieg noch ein wenig höher, und es wurde spürbar wärmer.
«Wir haben wirklich Glück.» Jon senkte den Kopf und rieb sich die Augen, wie es sonst Brillenträger taten, obwohl er selbst nie eine Brille gebraucht hatte. «Man hat mich gestern wegen eines Projekts angerufen. Das erste Meeting findet nächste Woche statt.»
«Hast du es angenommen?»
Er nickte. «Aber Andrea habe ich noch nichts davon erzählt.»
«Das kriegt sie schon hin. Mom und ich sind ja auch noch da – wir helfen ihr dabei.»
«Unser Konto wird langsam schwindsüchtig. Ich muss wieder anfangen zu arbeiten.»
«Das weiß ich.» Ich streckte den Arm aus und drückte seine Hand. Genau wie ich früher, liebte Jon seine Arbeit fast so sehr wie seine Familie. Ich wusste, dass es nicht nur der Lockruf des Geldes war, der ihn dazu trieb, dieses Projekt anzunehmen, sondern auch seine derzeitige Unausgefülltheit. «Irgendwann wirst du sowieso wieder anfangen müssen zu arbeiten. Sie wird es schon verstehen.»
«Das hoffe ich. Glücklicherweise finden die ersten Meetings in New York statt. Nach L. A. muss ich erst wieder in drei Wochen, denke ich.»
Bis dahin war fast schon August – heißester Hochsommer. Die richtige Zeit, um meiner Stadtwohnung zu entfliehen. «Dann komme ich her und bleibe bei den dreien.»
«Bist du sicher?.»
«Ich gehe mit Susanna ins Schwimmbad, damit Andrea ein paar ruhige Momente
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