Der Domino-Killer
überzeugt, einen Nerv getroffen zu haben: Anscheinend stimmte die Behauptung, dass er einen Komplizen hatte.
«Ganz recht. Entführt . Nicht ermordet – wir haben Beweise dafür, dass sie noch am Leben ist. Enttäuscht, dass dein Komplize nicht so schnell ist wie du?»
Es war ein Risiko, ihn mit Informationen anzufüttern, die ich gar nicht wirklich hatte, um ihn zur Aussage zu provozieren; ein Risiko, das sich nicht auszahlte, denn er sah mich nur eiskalt an und schwieg.
«Natürlich bist du enttäuscht, dass sie noch lebt», machte ich weiter. «Warum frage ich überhaupt?»
«Ja, warum fragst du? Das Gefühl kennst du doch nur zu gut.»
Heißer Zorn überwältigte mich, und ich wäre am liebsten quer durchs Zimmer gerast und ihm an die Gurgel gesprungen, so wie ich es schon einmal versucht hatte, im Convention Center … als ich an seiner Stelle beinahe Mac erwürgt hätte.
«Wünschst du dir jetzt etwa nicht, du hättest wieder eine Waffe?»
Ich unterdrückte meinen Hass, riss mich zusammen und verscheuchte alle Gedanken an meine Vergangenheit.
«Nein, Martin, ich habe damals die bewusste Entscheidung getroffen, dich nicht zu töten. Mir gibt es viel mehr, wenn du den Rest deines Lebens im Gefängnis verrottest. Ich will nur meine Nichte zurück. Wo ist sie? »
Er legte den Kopf schief. «Glaubst du, sie werden mich am Leben lassen?»
Ob er mit ‹sie› nun das Gericht oder die anderen Gefangenen meinte, falls sie ihn die Finger bekamen, wusste ich nicht. Mit beiden Möglichkeiten wollte und musste ich mich nicht beschäftigen.
Ich beugte mich leicht vor und versuchte es noch einmal: «Wo ist meine Nichte?»
«Du bereust, dass du es nicht getan hast, das sehe ich dir an. Ich kann’s riechen.»
Ich entspannte mein zuckendes Gesicht. Ermahnte mich, dass ich mich nicht von ihm provozieren lassen durfte.
«Du liegst nachts im Bett und schämst dich dafür, was für ein Feigling du bist. Wieso hattest du nicht den Mumm, den Kerl zu erledigen, der deinem kleinen Mädchen das angetan hat?»
Cece – o Cece, mein Baby – ich sah sie jetzt vor mir, wie sie beim Frühstück saß und sang, halb eingeschlafen in meinem Arm lag – ich sah sie, nahm ihren Duft wahr, hörte sie, vermisste sie, brauchte sie. Sah sie … ihren leblosen Körper auf dem blutdurchtränkten Bett … dann sah ich Susanna … sah sie . Und Stromstöße durchzuckten meinen Körper. Feuerräder aus Zorn und Schmerz.
Mein Magen verkrampfte sich, und sein Inhalt kam mir hoch. Ich schluckte ihn hinunter. Schloss die Augen. Holte ein Mal tief Luft, ein Atemzug, der Minuten, Stunden, Jahre dauerte. Und dann atmete ich aus.
Sobald ich meine Augen öffnete, redete er weiter.
«Komm her.»
Ich starrte ihn an. Machte er Witze? Ich starrte weiter und wartete auf eine Erklärung.
«Ich muss dir etwas sagen.»
Deshalb war ich hier. Also stand ich auf. Zitternd. Machte einen Schritt nach dem anderen, langsam, bis ich vor ihm stand.
«Näher.»
Ich beugte mich herunter, bis ich seinen ranzigen Gestank wahrnahm, der sich mit dem chemischen Geruch der Gefängnisseife mischte.
«Tu es doch jetzt. Leg mir die Hände um den Hals. Tu es. Erledige mich . Und ich sage dir, was du wissen willst, während ich sterbe.»
Eine wunderbare Vorstellung! Ich würde alles bekommen, was ich wollte: seinen Tod, meine Rache, den Namen seines Komplizen – und Susanna. Und er genauso: einen letzten köstlichen Gewaltkick, der seine schreckliche Langeweile für immer beendete.
« Tu es », flüsterte er so dicht an meinem Ohr, dass ich die Wärme seines Atems spüren konnte.
Ich schloss die Augen, widerstand der Versuchung. Richtete mich auf.
Machte einen Schritt zurück.
Drehte mich um
Ging durch den Raum.
Setzte mich auf den Stuhl.
Sah ihn an.
«Wo ist sie?»
Schweigen.
«Wer ist dein Komplize?»
Martin Price’ Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. Aus seinem selbstsicheren Appell eben wurde süßlichklebrige Verachtung, die aus jedem Wort zu tropfen schien, als er sagte: « Das ist die falsche Frage.»
«Die falsche Frage.»
«Plapper mir nicht nach. Das wirkt dämlich.»
«Was ist denn die richtige Frage?»
«‹Wer bin ich?› Ober besser: ‹Wer war ich?› Das musst du zuerst herausfinden.» Und dann sah er zur Tür und rief: «Wache!»
In der Dämmerung hielten wir vor Macs Wohnung – möbliert gemietet nach seiner Trennung von Val –, wo er mich in die Badewanne setzte, damit ich mich waschen konnte, nachdem ich
Weitere Kostenlose Bücher