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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Ohrringen. Sie lächelte und schüttelte den Kopf, als sie mich sah. Damit wollte sie wohl andeuten, dass ich nicht die Erste sei, der es vor dem Zusammentreffen mit einem inhaftierten Schwerverbrecher so erging. Was sie nicht wusste: Ich war weder Ermittlerin noch Psychologin oder Autorin. Ich war die Tante eines verschwundenen Mädchens und hatte es selbst nur knapp geschafft, dem Domino-Killer zu entkommen. Um ein Haar wäre ich seine achte Leiche geworden. Die Wärterin konnte natürlich unmöglich ahnen, dass ich hier nicht einfach meinem Job nachging, dass mir gleich wieder all meine schmerzhaften Erinnerungen vor Augen stehen würden oder wie sehr ich den Mann hasste, den ich hier besuchte.
    «Bleib cool da drinnen.» Mac legte mir die Hand auf den Rücken, während wir über das glänzende Linoleum zur ersten Sicherheitsschleuse gingen, die die Eingangshalle von den Zellenblocks trennte. «Hier hast du noch einen, falls dir wieder schlecht wird.» Er steckte mir einen eingewickelten Kaugummistreifen in die hintere Jeanstasche. «Aber achte beim nächsten Mal darauf, dass er die volle Ladung abbekommt.»
    Das entlockte mir ein Lächeln. Zumindest glaubte ich, ich würde lächeln. Aber nach Macs Miene zu urteilen, schnitt ich wohl eher eine Grimasse.
    Er blieb bei der Sicherheitsschleuse zurück, während ich mir die Schuhe auszog, meine Taschen leerte, meine Handtasche abgab und dann den Rest des Flurs allein entlangging. Mac würde uns durch eine verspiegelte Scheibe beobachten. Ich dachte, der Umstand würde mich beruhigen, aber als ich dem Verhörzimmer näher kam, zitterte ich unkontrollierbar.
    Ein großer männlicher Wärter legte die Hand auf die Klinke, zögerte dann aber. «Soll ich mit rein oder draußen bleiben?»
    «Bleiben Sie draußen, aber spitzen Sie die Ohren.»
    «Alles klar. Sie werden von vier Leuten über Monitor bewacht, machen Sie sich also keine Sorgen.» Sein breites Lächeln brachte eine Reihe engstehender monströser Zähne zum Vorschein.
    Und da war er: der Mann meiner Albträume. Jetzt schlich er sich nicht langsam an mich heran. Drückte mir kein Messer in die Rippen und keine Zunge in den Mund. Spielte nicht mit mir aus digitaler Ferne. Lief nicht als Grüner Kobold vor mir davon. Sondern war hier: direkt hier vor mir, saß auf einem ganz ordinären Stuhl wie ein ganz normaler Mensch … fast wie ein normaler Mensch. Er trug den üblichen orangefarbenen Häftlingsoverall, der unter der linken Schulter mit einer Nummer bedruckt war. Die in Handschellen steckenden Handgelenke ruhten auf seinem Schoß, und von dort lief eine Kette zum Boden. Seine Knöchel waren an den fest verschraubten Stuhl gefesselt.
    Ich stand drei Meter von ihm entfernt. Stand einfach nur da, während sein Blick an mir zu kleben schien. Ich fühlte, wie sein krankes Gehirn arbeitete, wie frustriert er war, weil er nicht aufstehen konnte, ohne vornüber aufs Gesicht zu fallen. Das hätte ich gern gesehen: wie er aufstand, um mich anzufallen, und die Ketten ihm ein Bein stellten. Sein Teint wirkte blass und ölig. Sein dünnes blondes Haar war fettig und lag in Strähnen auf der durchscheinenden Kopfhaut. Er saß vollkommen bewegungslos da, und dann grinste er breit.
    Gerade wollte er etwas sagen, als ich ihm den Rücken zukehrte und durchs Zimmer zu dem Stuhl ging, den man mir so hingestellt hatte, dass ich Price in angemessenem Abstand gegenübersaß. Keinesfalls wollte ich ihm die Kontrolle über dieses Gespräch überlassen. Das wäre ein Fehler gewesen.
    Ich nahm Platz. Schlug die Beine übereinander. Wenn ich nicht so wild entschlossen gewesen wäre, ihm irgendwelche Informationen zu entlocken, hätte ich mich wahrscheinlich in einer Ecke des Zimmers zusammengerollt. Er saß hier fest. Entweder drohte ihm lebenslänglich oder ein gnadenvoller Tod – und diesmal würde er nicht wieder entkommen, weil man ihn mit Argusaugen bewachte. Mir reichte das alles allerdings nicht.
    Ich schaute in die milchig blauen Spiegel seiner Augen, holte tief Luft, atmete aus und stellte ihm meine erste Frage.
    «Wer ist dein Komplize?»
    Er schaute mich an, antwortete aber nicht.
    «Wer hat den Clown umgebracht?»
    Sein starrer Gesichtsausdruck: nichts.
    «Was bedeuten die Zahlen diesmal?»
    Sein Grinsen wurde zum Lächeln.
    « Wo ist meine Nichte? Wer hat sie entführt? »
    Das Lächeln verschwand augenblicklich. «Entführt?» Ein Schauer fuhr über sein Gesicht und ließ die Backenmuskulatur kurzzeitig erzittern. Ich war

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