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Der Domino-Killer

Der Domino-Killer

Titel: Der Domino-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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mich noch dreimal übergeben hatte, seit wir aus dem Gefängnis heraus waren. Während ich in der Wanne lag, ging er in den Keller und steckte meine Sachen in die Waschmaschine, dann machte er das Auto mit einem Reinigungsmittel und einer Rolle Papiertücher sauber. Ich musste immer wieder an ein Gedicht denken, das ich in der Schule im Englischunterricht gelernt hatte, es war von Edith Wharton, wenn ich mich nicht irrte, und ging ungefähr so: Er kam zu mir bei Nacht und saugte bis zum Morgen mit weißen Lippen an meinem Herzen . So oder so ähnlich jedenfalls. Genauso fühlte ich mich: als wäre mir meine Seele von einer leblosen Kreatur aus dem Herzen gesaugt worden. Die ganze Nacht lang; nur dass meine Nacht ein volles Jahr gedauert hatte.
    Ich fühlte mich leer, erschöpft, nichts war von mir übrig geblieben, und mein Verhör hatte nicht einmal etwas Konkretes ergeben. Er hatte mich gequält, Salz in meine offenen Wunden gestreut. Fast wäre es ihm gelungen, mich davon zu überzeugen, dass er wirklich einen Komplizen hatte. Nur hatte er keine einzige meiner Fragen nach Susanna beantwortet. Neunundzwanzig Stunden waren seit ihrem Verschwinden vergangen, und trotz aller verzweifelten Bemühungen, sie zu finden, schrumpften ihre Überlebenschancen statistisch gesehen sehr schnell.
    Als Mac zurückkam, setzte er sich auf den Deckel der Toilette, und wir gingen alles noch einmal durch.
    «Einen Hinweis hat dir JPP doch schon gegeben», sagte er. «Nämlich dass du mit den falschen Fragen kommst.»
    «Er hat mir lediglich eine Gegenfrage gestellt.»
    «‹Wer war ich?›», überlegte Mac laut. «Also bevor er mit den Domino-Morden angefangen hat.»
    «Vielleicht sogar deutlich davor.» Ich entdeckte die ins Wasser gefallene Pinienseife an meinen Füßen und legte sie zurück in die Schale an der weiß gekachelten Wand.
    «Hast du ein Handtuch für mich? Mir wird kalt.»
    Mac reichte es mir und wendete den Blick ab, als ich tropfend aus der Wanne stieg. Zuerst hatte ich mir gar nichts dabei gedacht, nackt vor einem meiner ehemaligen Kollegen und nun guten Freund zu sitzen. Erst als er jetzt wegsah, bekam das Ganze etwas Sexuelles, das mir vorher völlig entgangen war. Ich begriff, wie entspannt ich mich in Macs Gegenwart fühlte, wie normal, aber sein Blick erinnerte mich daran, dass er eben doch ein Mann war und ich eine Frau. Aber der peinliche Moment verging schnell wieder. Mac folgte mir hinaus aus dem Bad, und ich hörte ihn in der Küche herumwerkeln, während ich seinen Bademantel anzog.
    Wir trafen uns mit zwei Gläsern Rotwein auf der Couch wieder, einem blaukarierten Schlafsofa, das die Hälfte seines Wohn- und Essbereichs beanspruchte. Ich zog meine Füße unter die Beine, um sie warm zu halten, und beugte mich dicht zu Mac, damit ich mit in die Akte des Falls sehen konnte, die er aufgeklappt auf dem Schoß liegen hatte. Viele abgegriffene Blätter, die durch so viele Hände gegangen, so oft studiert und fotokopiert worden waren, und dazu noch ein paar neue. Das Problem war, dass man aufhörte, zwischen den Zeilen zu lesen, wenn einem die Fakten zu vertraut wurden. Nachdem Susanna nun verschwunden war und bisher weder die Labor- noch die Autopsie-Ergebnisse vorlagen, mussten wir alles noch einmal sorgfältig durchlesen, denn ansonsten hatten wir nichts außer drei Zahlen und einer Frage unbekannter Bedeutung. Und die schienen allesamt ins Nichts zu führen.
    «Er ist neunundzwanzig Jahre alt», sagte Mac, «und soweit wir wissen, mordet er seit zwei Jahren. Also arbeiten wir uns von da zurück und schauen uns die Geschichte noch einmal mit neuem Blick an.»
    Ich setzte das Glas an die Lippen. Der Wein schmeckte ein wenig bitter, aber ich mochte ihn; mein Gehirn leistete seiner Wirkung keinerlei Widerstand.
    «Mit zwei Jahren ins Heim gekommen», las Mac den skizzenhaften Lebenslauf durch, den die SOKO von Martin Price angefertigt hatte. «Zu jung, um sich an seine leiblichen Eltern zu erinnern, unauffälliges Kind, durch ein Feuer im Waisenhaus wurden alle Dokumente über sein früheres Leben vernichtet, bla bla bla.»
    Oberflächlich betrachtet schien Martin Price ein einsames bedauernswertes Kind gewesen zu sein, so wie er danach ein einsamer erbärmlicher Mann geworden war. Hinter der Erwähnung des Feuers im Heim hatte man in seinem Lebenslauf ein paar neue Notizen zu seinem achten Lebensjahr hinzugefügt. Er war ein mittelmäßiger Schüler und ein angepasstes Kind gewesen. Zehn Jahre später, an

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