Der Domino-Killer
gehalten, aber hey – ein paar von uns wollten nicht unbedingt sterben, zumindest nicht bewusst.»
Gestern: die benutzte Spritze im Van des Clowns. Mein Puls raste. Maher wusste etwas.
«Wer war diese Frau?» Mac beugte sich jetzt vor, das Weiße seiner Augen leuchtete, als ein Lichtschein aus dem Haus ihn traf. Im unteren Stockwerk hatte jemand eine Lampe angemacht.
«Keine Ahnung. Sie war weiß. Wir haben beide nicht groß Fragen gestellt, sondern nur alles Notwendige geregelt. Sie hat bar gezahlt. Damals war es mir ziemlich egal, was sie mit meinem Namen wollte – es war eh nicht mein echter, das sagte ich ja schon. Ich bin als Marty Prizinsky geboren, aber als meine Eltern mich mit zwei Jahren ins Heim steckten, gefiel der Name dem Leiter da wohl nicht. Zu polnisch, denke ich mal.» Er ließ den Blick hin und her wandern, offenbar eine Übersprunghandlung, wenn er sich unwohl fühlte. «Er hat daraus Martin Price gemacht, auch in allen Dokumenten. Ich habe das erst herausgefunden, als ich achtzehn wurde und aus dem Heim ausziehen sollte … ich sei jetzt erwachsen, haben sie gesagt, rums, von jetzt auf gleich. Das war’s dann. Als die Hausmutter dann zum ersten Mal meinen richtigen Namen erwähnte, wusste ich, warum Martin Price sich immer falsch angefühlt hatte. Ich habe nach meinen leiblichen Eltern gesucht. Meine Mutter war bei meiner Geburt gestorben, und mein Vater hat sich ein paar Jahre nachdem ich ins Heim gekommen bin, zu Tode gesoffen. Also verwandelte ich mich in Paul Maher, irgendeinen alten Knacker, der gerade gestorben war. Sie gab mir seine Daten, und ich verkaufte ihr meine. Ich habe es nur das eine Mal beim Verkehrsamt vermasselt. Als Sie beide damals hier waren, haben Sie mir ja gesagt, dass Sie mich dadurch gefunden haben. Ich bekam Angst, weil mir klar war, dass Sie wissen wollten, wer Martin Price ist, ob ihm das Haus hier gehört hatte und ob ich vielleicht wüsste, wo er steckt.» Paul Maher schüttelte den Kopf und schaute auf seine offenen Handflächen, als wären sie ein Spiegel. Als versuchte er nach all dieser Zeit noch immer herauszufinden, wer er wirklich war.
«Das war Ihnen also bewusst.» Mac klang noch immer ganz ruhig.
«Als ich von den Morden gelesen habe …» Er konnte nicht weitersprechen, schüttelte den Kopf. «Da war ich geschockt. Mir war natürlich klar gewesen, dass die Frau etwas vorhatte und deshalb meine Identität kaufen wollte … aber Sie müssen mir glauben, so etwas hätten auch Sie ihr nie zugetraut, wenn Sie sie erlebt hätten.»
Vor zwei Jahren. Zwei ganze Jahre waren vergangen, seit er den Zusammenhang zwischen seinem verkauften Namen und dem Domino-Killer begriffen hatte. Zwei Jahre lang hatte er das für sich behalten. Andernfalls hätten wir noch ein ganzes Jahr Zeit gehabt, nach der Frau zu suchen, hätten gewusst, dass JPP einen Komplizen hatte – und vielleicht hätten wir es geschafft, ihn oder sie beide aufzuhalten, bevor sie Jackson und Cece ermordeten. Bevor Susanna verschwunden war.
Ich stand abrupt auf, brauchte die Dunkelheit, die Schwärze, damit ich verstecken konnte, dass mir Tränen in die Augen gestiegen waren. Ich ließ die beiden Männer allein im Pavillon sitzen, stand abseits auf dem gepflegten Rasen und weinte leise vor mich hin.
Ihre Stimmen waren im Garten zu hören:
«Ich habe mir geschworen, dass ich Ihnen alles erzählen würde, falls Sie noch einmal bei mir auftauchen», sagte Paul Maher. «Als ich gestern aus den Nachrichten von der Entführung erfahren habe, dachte ich mir schon, dass Sie wieder herkommen. Und jetzt sind Sie da. Ich bin bereit. Wie kann ich Ihnen helfen?»
Jegliche Selbstbeherrschung verließ mich. Ein Stöhnen der Verzweiflung entrang sich meiner Kehle mit der unbezähmbaren Wut eines nicht auszutreibenden Dämons, ein verstörender Laut, der das Gespräch kurz zum Erliegen brachte.
«War es Ihre Familie, die …?», hörte ich Paul Maher fragen. «Gott, das tut mir wirklich leid.»
Mac sagte etwas, das ich nicht richtig verstehen konnte, dann ein hastiges Schlurfen von Füßen im Pavillon, als sich die Hintertür des Hauses öffnete und der Umriss einer Frau darin sichtbar wurde. Im Licht dahinter konnte man einen roten Emaille-Herd erkennen.
«Paul? Redest du draußen mit jemandem?»
«Nein.» Er schoss aus dem Pavillon heraus, über den Rasen und zu seiner Frau. Ich beobachtete, wie er ihr einen Kuss auf die Wange gab und dann die Tür hinter sich schloss.
Mac blieb im Pavillon
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