Der Domino-Killer
Arme und schien sich mit seinem gesamten Gewicht an mich zu klammern. Ich taumelte rückwärts, fand die Balance wieder und hielt ihn fest.
« Ich vermisse sie », flüsterte er. « Ich halte das nicht mehr aus .»
Schweigend massierte ich ihm den Rücken und hörte zu.
«Keine Ahnung zu haben, wo sie ist … das kann ich einfach nicht ertragen. Andererseits wäre Bescheid zu wissen … falls das Schlimmste wahr wird … also, das wäre noch bitterer, oder?» Er rückte etwas ab und sah mir in die Augen, in seinem Blick loderte Angst, und es lag ein neues unausgesprochenes Verständnis für mich darin. Tränen liefen ihm über die Wangen. Ich versuchte, sie wegzuwischen, aber es war umsonst.
«Das wirst du nie herausfinden», sagte ich, «weil alle Welt nach ihr sucht und wir sie finden werden und zwar gesund und wohlauf.»
Er holte tief Luft und nickte wie ein Kind, das bereit war, auch das unwahrscheinlichste Märchen zu glauben.
«Mom hat uns erzählt, was du gemacht hast, Karin … dass du ins Gefängnis gegangen bist und mit ihm gesprochen hast. Das muss so hart für dich gewesen sein.»
«Ob es hart für mich war, spielt keine Rolle. Wenn ich nicht Polizistin geworden wäre … nichts von alledem wäre passiert, und du würdest jetzt nicht –»
« Nein . Du bist zur Polizei gegangen, um etwas Sinnvolles zu tun, damit du anderen Menschen helfen kannst – das ist mehr, als man über mich sagen kann –, und der Preis, den du dafür zahlen musstest …»
Die Tränen erstickten jedes weitere Wort, und ich nahm ihn wieder in den Arm.
«Es tut mir so leid, was ich neulich zu dir gesagt habe», schluchzte er. «Und Andrea auch. Wir wissen ja, dass das alles nicht deine Schuld ist.»
«Danke. Aber das ist es doch.»
Nach ein paar Minuten, die wir uns weiter im Arm gehalten hatten, gingen wir zurück ins Haus.
Abends gab es noch immer keinerlei Spur von Susanna – nirgendwo.
Als es dunkel wurde, packten die Freiwilligen ihre Sachen zusammen und gingen mit dem Versprechen nach Hause, morgen wiederzukommen.
Jon blieb zu Hause und hielt mit Andrea und David Nachtwache.
Meine Eltern fuhren mit mir zurück nach Montclair, wo wir alle in der Küche noch eine Kleinigkeit aßen und dann auf unsere Zimmer gingen.
Ich fiel aufs Bett, war ganz gelähmt vor Erschöpfung und versuchte noch einmal, Mac zu erreichen. Während des gesamten langen Tages und trotz der drei dringenden Nachrichten, die ich ihm hinterlassen hatte, kein Anruf von ihm. Es war äußerst frustrierend, abgesehen von dem, was ich aus den Medien erfuhr, keine Ahnung zu haben, wie die Ermittlungen vorangingen. Aus Erfahrung wusste ich, dass die öffentlich bekannten Informationen nur die Spitze des Eisbergs waren. Macs Handy klingelte fünfmal, dann wurde ich auf die Mailbox umgeleitet. Diesmal sprach ich nicht drauf. Die Veröffentlichung eines Phantombildes führte immer zu Reaktionen aus der Öffentlichkeit, manchmal sogar zur Identifizierung der betreffenden Person. Mir war klar, dass Mac beschäftigt war. Gerade gingen wie üblich Hunderte von Anrufen von allen möglichen Menschen ein, die der Meinung waren, dass sie die Gesuchte kannten, oder einfach nur Aufmerksamkeit wollten. Doch inzwischen war ich davon überzeugt, dass Macs Schweigen nichts mit dem Fall zu tun hatte; bei unserer abschließenden Unterhaltung gestern im Auto war es unausgesprochen um so viel mehr gegangen. Und obwohl ich heute unablässig unterwegs gewesen war, ständig hin- und hergerissen zwischen sinnlos erscheinender Hoffnung und loderndem Zorn, hatte ich immer wieder an Mac gedacht – voller Sehnsucht einerseits, aber auch wie versteinert andererseits.
Ich legte mein Handy auf den Nachttisch und streckte mich aus. Meine Gedanken schwirrten mir wild im Kopf herum, und ich glaubte, ich würde nie einschlafen.
Zunächst war es ein Gefühl, eine tiefsitzende Erinnerung: die zarten, trockenen, festen Hügel und Täler aus Haut und Muskeln. Und dann die ganze Landschaft seines Körpers, die abstrakten Formen, die sich zu einem Ganzen, zu einem Menschen zusammensetzten, der mir vertraut schien, den ich jedoch gleichzeitig nicht wiedererkannte. Das Gefühl von Jacksons Haut unter meinen Händen, die langen Muskeln an seinem Rücken, dass ich ihn berühren und durch ihn hindurchfassen konnte, als ob wir miteinander verschmolzen wären. Nur im Traum war so etwas möglich: einen Toten so völlig und ohne jeden Zweifel zurückzubringen.
Ich lag im Halbschlaf in
Weitere Kostenlose Bücher