Der Dominoeffekt
kein Problem gewesen, aber hier, am Niederrhein? Zwar konnte er seinen Plan auch mithilfe eines Messers in die Tat umsetzen, aber dazu müsste er nah genug an die betreffende Person herankommen können.
Immerhin wusste er jetzt, welchen Ort er aufsuchen musste, wenn auch noch nicht, wann der richtige Zeitpunkt sein würde.
Toralf hatte ihm erzählt, dass er die anderen nach Hause schicken sollte, alle weiteren Aktionen seien gestoppt worden. Was bedeutete das? War etwa die Polizei der Bande auf den Fersen? Musste er, Ion, damit rechnen, dass die Männer, an denen er sich rächen wollte, gar nicht mehr auftauchten und flohen? Oder vielleicht sogar schon verhaftet waren?
Illic seufzte verärgert auf und angelte sich die Flasche Cola vom Nachttisch. Es war für ihn undenkbar, unverrichteter Dinge nach Rumänien zurückzufahren, sein Bruder musste gerächt werden. Schließlich war er es gewesen, der Adrian davon überzeugt hatte, dass es richtig war, nach Deutschland zu gehen, um Geld zu verdienen, und die Bedenken, Verbrechen zu begehen, hatte Ion auch zerstreut.
Er fühlte sich schuldig, wenn er nicht gewesen wäre, würde sein Bruder vermutlich noch leben. Wie sollte er jemals seiner Mutter wieder unter die Augen treten, wenn er selbst nicht mehr in den Spiegel sehen konnte?
Auf dem kleinen Fernsehbildschirm flackerte der Vorspann zu einer Nachrichtensendung auf. Den Ton hatte Illic abgedreht, er hätte nur beim Nachdenken gestört. Der Rumäne hatte die Flimmerkiste nur eingeschaltet, um sich nicht ganz so allein zu fühlen.
Heute war es zu spät, um noch etwas zu unternehmen, er würde sich gleich etwas zu essen besorgen, danach ein ausgiebiges Bad nehmen – was für ein unerhörter Luxus –, dann vielleicht noch einen kleinen Spaziergang machen und anschließend zu Bett gehen. Morgen würde er früh aufbrechen.
42
»Lübbi, wie konnte euch nur so ein Bock passieren?«
Katharina seufzte und warf dem Niederrheiner einen strafenden Blick zu.
»Ich weiß, eigentlich ist so etwas unentschuldbar«, entgegnete Lübbehusen. »Aber wir haben von dem Handy nichts gewusst. Als Kamarov in dem Krankenhaus aufgenommen wurde, hat man ihm sofort seine wenigen persönlichen Gegenstände abgenommen. Das Handy ist aus irgendeinem Grund in der Notaufnahme liegen geblieben und erst unmittelbar vor dem Mord mit der Hauspost auf die Station gelangt.«
»Eigentlich hätte das Krankenhauspersonal wissen müssen, dass die das nicht herausgeben dürfen«, meinte Hofmann. »Da könnte ja jeder kommen und die Schränke der Patienten leeren.«
»Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Als dieser Kerl nach dem Handy gefragt hat, war gerade eine Schülerin allein im Stationszimmer. Und die war total durcheinander, einerseits wegen des Brandes, andererseits wegen des Mordes.«
Katharina setzte, auf Lübbehusens Handbewegung hin, den Blinker und gab wieder Gas. Der Gelderner Golfplatz war nicht mehr weit entfernt. »Na ja, vielleicht hätte uns das Handy eh nicht weitergebracht. Diese Banden benutzen ein Gerät doch nur ein paar Tage, dann wechseln sie jeweils die Sim-Karte aus oder schmeißen die Telefone weg. Du weißt doch, wie das abläuft.«
»Konnte die Schülerin den Mann, der das Handy geholt hat, beschreiben?«, fragte Hofmann.
»Zumindest im Groben. Auf jeden Fall scheint es nicht der Kerl zu sein, den der WDR gefilmt hat, wenn du darauf anspielen solltest. Der Mann, der im Stationszimmer aufgetaucht ist, hat gesagt, er sei Kamarovs Sohn, und die Schülerin hat keine Sekunde daran gezweifelt.«
»Vielleicht sollten wir der Frau auch die Aufnahmen von dem Unfall am Bahnhof zeigen«, überlegte Katharina. »Der Typ, bei dessen Anblick Kamarov so ausgeflippt ist, war doch ziemlich jung, oder?«
Lübbehusen sah anerkennend zur Seite. »Stimmt, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich kümmere mich darum.«
»Hast du denn mit diesem… von der Dingenskirchen gesprochen?«
»Van der Felde. Natürlich. Er zeigte sich von der Möglichkeit, dass ihm jemand einen Privatdetektiv auf den Hals gehetzt haben könnte, erst überrascht und dann amüsiert. Er konnte sich gut an Vollmert erinnern, der Detektiv hatte sich ihm gegenüber als Architekt ausgegeben, der mit seiner Familie in diese Gegend ziehen wollte.«
»Was meinst du? Könnte seine Frau…?« Katharina ließ die Frage unvollendet im Raum stehen.
»Nein. Ich habe natürlich auch mit van der Feldes Frau gesprochen. Sie weiß, dass ihr Mann jede Menge
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