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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Vielleicht hatte sie auf ein besseres Los gehofft, seit dem Tage, wo der stellvertretende Generalprokurator ihr den Hof machte, nachdem er sich geweigert hatte, Limousins reichste Erbin zu heiraten. Seitdem hatten die tiefen Politiker, die zwischen zwei Whistpartien die Gefühle und die Vermögen kommandierten, geargwöhnt, daß der Beamte und die junge Frau auf des Bankiers kränklichem Zustande Hoffnungen aufbauten, die durch das Ereignis fast zerstört wurden. Die schweren Unruhen, welche diese Periode von Véroniques Leben stempelten, die Besorgnisse, die Frauen eine erste Entbindung verursacht, die, wie es heißt, Gefahren mit sich bringt, wenn sie nach der ersten Jugend vor sich geht, machten ihre Freunde aufmerksamer in ihrer Nähe, jeder von ihnen bot tausend kleine Sorgen auf, die ihr bewiesen, wie lebhaft und fest ihre Zuneigungen waren.

II
Tascheron
    In diesem nämlichen Jahre hatte Limoges das schreckliche Schauspiel und das merkwürdige Drama des Prozesses Tascheron, in welchem der junge Vicomte de Granville die Talente entfaltete, die ihm später die Ernennung zum stellvertretenden Generalprokurator eintrugen.
    Ein alter Mann, der ein einsam gelegenes Haus in der Vorstadt Saint-Étienne bewohnte, wurde ermordet. Ein großer Obstgarten trennt von der Vorstadt dies Haus, das in gleicher Weise vom Felde durch einen Gemüsegarten getrennt ist, an dessen Ende alte, nicht mehr benutzte Gewächshäuser stehen. Das Ufer der Vienne bildet vor dieser Besitzung eine steile Böschung, deren Hang den Fluß zu sehen gestattet. Der abfallende Hof endigt am steilen Ufer mit einer kleinen Mauer, wo von Zwischenraum zu Zwischenraum Pilaster sich erheben, durch Gitter zusammengehalten, die mehr zum Schmuck als zum Schutze da sind, denn die Latten bestehen aus gestrichenem Holz. Dieser Alte namens Pingret war seines Geizes wegen berüchtigt und lebte mit nur einer einzigen Magd, einem Landmädchen zusammen, die er seine Arbeiten verrichten ließ. Er selber hielt seine Spaliere in Ordnung, beschnitt seine Bäume, erntete sein Obst ein und schickte es zum Verkauf in die Stadt, ebenso wie die ersten Gemüse seiner Kultur, worin er sich auszeichnete. Die Nichte dieses Greises und einzige Erbin, die mit einem kleinen Rentier der Stadt, Monsieur des Vanneaulx, verheiratet war, hatte ihren Onkel des öfteren gebeten, einen Mann als Schutz in sein Haus zu nehmen, indem sie ihm darlegte, daß er dann die Produkte nicht eingehegter, von Bäumen bepflanzter Gevierte erzielen würde, wo er nur Körner säte; er aber hatte sich ständig dagegen gesträubt. Dieser Widerspruch in einem Geizhals gab Stoff zu vielen Vermutungen in den Häusern, in denen die Vanneaulx verkehrten. Mehr als einmal unterbrachen die voneinander abweichenden Ueberlegungen die Bostonpartien. Einige ganz schlaue Gemüter hatten die letzte Folgerung darausgezogen, indem sie einen in den Luzernefeldern vergrabenen Schatz mutmaßten.
    »Wenn ich an Madame des Vanneaulx Stelle wäre,« erklärte ein angenehmer Spötter, »würde ich meinem Onkel nicht zusetzen. Wenn man ihn ermordet, schön, so wird man ihn halt ermorden. Ich würd' ja erben!«
    Madame des Vanneaulx wollte ihren Onkel bewachen lassen, wie die Unternehmer des Theatre-Italien ihren Einnahme-Tenor bitten, sich den Hals gut zu bedecken und ihm ihren Mantel leihen, wenn er seinen vergessen hat. Sie hatte dem kleinen Pingret einen prachtvollen Hofhund angeboten, der Alte hatte ihn durch Jeanne Malassis, seine Magd, zurückgeschickt.
    »Ihr Onkel will kein Maul mehr im Hause haben,« sagte sie zu Madame des Vanneaulx.
    Das Ereignis bewies, wie berechtigt der Nichte Befürchtungen waren. Pingret wurde während einer dunklen Nacht mitten in einem Luzernefeld getötet, wo er zweifelsohne einige Louis in einen vollen Goldtopf tat. Die durch den Kampf aufgeweckte Magd hatte den Mut besessen, dem alten Geizhals zu Hilfe zu kommen und der Mörder hatte sich in der Zwangslage befunden auch sie zu töten, um ihre Zeugenschaft zu unterdrücken. Solche Rechnung, die fast immer die Mörder bestimmt, die Zahl ihrer Opfer zu vermehren, ist ein durch die Todesstrafe, der sie sich zu gewärtigen haben, erzeugtes Unglück. Der Doppelmord war von so seltsamen Umständen begleitet, daß sie sowohl der Anklage wie auch der Verteidigung ebenso viele Möglichkeiten boten. Als die Nachbarn einen Morgen über weder den kleinen Vater Pingret noch seine Magd sahen, als sie beim Kommen und Gehen sein Haus durch die Holzgitter

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