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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Nutzanwendung; mehr als einmal tauchte sein Auge sich in die Versammlung bevorzugter Frauen, welche die tausend Emotionen dieses wirklichen Dramas auskosten wollten. Jedesmal, wenn dieses Mannes Blick das elegante Parterre mit einem klaren, aber undurchdringlichen Strahl umfing, verursachte er dort lebhafte Erschütterungen, so sehr fürchtete jede Frau in den inquisitorischen Augen der Staatsanwaltschaft und des Gerichtshofes als seine Mitwisserin zu erscheinen. Die nutzlosen Anstrengungen der Untersuchung wurden nun öffentlich bekannt und enthüllten die Vorsichtsmaßregeln, welche der Angeklagte getroffen hatte, um seinem Verbrechen einen vollen Erfolg zu sichern. Einige Monate vor der verhängnisvollen Nacht hatte Jean-François sich mit einem Paß für Nordamerika versehen. Demnach war der Plan, Frankreich zu verlassen, gefaßt worden; die Frau mußte also verheiratet sein, denn zweifelsohne hätte es keinen Sinn gehabt, mit einem jungen Mädchen zu entfliehen. Vielleicht hatte das Verbrechen den Zweck gehabt, der Bequemlichkeit dieser Unbekannten Unterhalt zu gewähren. Das Gericht hatte in den Registern der Staatsverwaltung keinen Paß für diesen Landstrich auf den Namen einer Frau gefunden. Für den Fall, daß die Mitwisserin sich ihren Paß in Paris besorgt haben sollte, waren die dortigen Register nachgesehen worden, doch vergeblich; das gleiche Resultat ergab sich bei den benachbarten Präfekturen. Die geringsten Einzelheiten der Verhandlungen brachten die tiefen Reflexionen einer überlegenen Intelligenz zutage. Wenn die tugendhaftesten Limousiner Damen die im gewöhnlichen Leben ziemlich unerklärliche Benutzung leichter Stiefeln, um durch Dreck und über Land zu gehen, der Notwendigkeit zuschrieben, den alten Pingret zu belauern, erklärten die wenigst albernen Männer mit Begeisterung, wie nützlich leichtes Schuhwerk wäre, um in ein Haus zu gehen, dort in den Korridoren herumzulaufen und geräuschlos durch die Fenster zu steigen. Abends wurden in allen Salons die Spielpartien unterbrochen durch die böswilligen Kommentare der Leute, die, sich in den März 1829 zurückversetzend, nachforschten, welche Frauen zu diesem Zeitpunkt nach Paris gereist wären, welche anderen offensichtlich oder heimlich die Vorbereitungen zu einer Flucht hätten treffen können. Limoges kostete damals seinen Prozeß Fualdès aus, der mit einer unbekannten Madame Manson ausgeschmückt war. Niemals wurde in einer Provinzstadt mehr intrigiert als es jeden Abend nach der Gerichtsverhandlung in Limoges der Fall war. Man träumte dort von dem Prozesse, worin alles den Angeklagten vergrößerte, dessen weise wiederholten, kommentierten, auseinandergezerrten Antworten ausführliche Unterhaltungen zur Folge hatten. Wenn einer der Geschworenen fragte, warum Tascheron sich einen Paß für Amerika verschafft hatte, antwortete der Arbeiter, daß er dort eine Porzellanmanufaktur habe einrichten wollen. So schützte er, ohne seinem Verteidigungssystem untreu zu werden, seine Mitwisserin noch dadurch, daß er jedermann erlaubte, sein Verbrechen der Notwendigkeit zuzuschreiben, Mittel zu erlangen, um einen ehrgeizigen Plan auszuführen. Mitten in den lebhaftesten Verhandlungen konnten Véroniques Freunde bei einer Abendgesellschaft, wo sie weniger zu leiden schien, nicht umhin, des Verbrechers Verschwiegenheit zu erklären zu suchen. Am Vortage hatte der Arzt Véronique einen Spaziergang verordnet. Am selben Tage hatte sie also den Arm ihrer Mutter genommen, um, die Stadt umgehend, bis nach dem Landhause der Sauviat zu wandern, wo sie sich ausgeruht hatte. Bei ihrer Rückkehr hatte sie aufzubleiben versucht und ihren Mann erwartet. Graslin kam erst um acht Uhr vom Schwurgericht zurück; ihrer Gewohnheit gemäß setzte sie ihm das Mittagessen vor und hörte notgedrungen die Unterhaltung ihrer Freunde.
    »Wenn mein armer Vater noch lebte,« sagte Véronique ihnen, »würden wir mehr darüber wissen, oder der Mann würde vielleicht kein Verbrecher geworden sein ... Aber ich sehe Sie alle ausschließlich mit einem seltsamen Gedanken beschäftigt! Sie wollen, daß die Liebe die Grundursache des Verbrechens sei; darüber bin ich Ihrer Meinung. Warum aber glauben Sie, daß die Unbekannte verheiratet ist? Kann er nicht ein junges Mädchen geliebt haben, die Vater und Mutter ihm verweigerten?«
    »Ein junges Mädchen würde ihm später legitim angehört haben,« antwortete Monsieur de Granville. »Tascheron ist ein Mensch, dem es nicht an Geduld

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