Der Dorfpfarrer (German Edition)
des Dorfes richtig ausgelegt.
»Liebe Freunde, Jean-François ist nicht begnadigt worden,« sagte der junge Abbé, als er sah, daß der Schlag geführt worden war; »sein Seelenzustand aber hat Hochwürden derartig beunruhigt, daß er Ihres Sohnes letzten Tag hat hinausschieben lassen, um ihn wenigstens für die Ewigkeit zu retten.«
»Er lebt also?« rief Denise.
Der junge Abbé zog den Pfarrer beiseite, um ihm die gefährliche Lage auseinanderzusetzen, in die seines Pfarrkindes Gottlosigkeit die Kirche brachte, und was der Bischof von ihm erwartete.
»Hochwürden fordert meinen Tod,« antwortete der Pfarrer. »Der niedergebeugten Familie hier habe ich bereits abgeschlagen, dem unglücklichen Kinde beizustehen. Die Untersuchung und das Schauspiel, das meiner wartet, würden mich wie ein Glas zerbrechen. Die Schwäche meiner Organe oder vielmehr die allzugroße Beweglichkeit meiner nervösen Organisation verbietet es mir, diese Funktionen unseres Amtes auszuüben. Ich bin einfacher Dorfpfarrer geblieben, um meinesgleichen in der Sphäre, wo ich ein christliches Leben leben kann, nützlich zu sein. Ich habe es mir lange überlegt, ob ich die tugendhafte Familie hier befriedigen und meinen Pfarrerpflichten dem unglücklichen Kinde gegenüber nachkommen sollte, aber bei dem Gedanken allein, mit ihm den Henkerskarren zu besteigen, fühle ich einen Todesschauer in meinen Gliedern. Das würde man von einer Mutter auch nicht verlangen; und machen Sie sich klar, mein Herr, daß er im Schoße meiner armen Kirche geboren worden ist ...«
»Also weigern Sie sich, Hochwürden zu gehorchen?« sagte Abbé Gabriel.
»Hochwürden kennt meinen Gesundheitszustand nicht, weiß nicht, daß meine Natur sich widersetzt.. .« sagte Monsieur Bonnet, den jungen Abbé anschauend.
»Es gibt Momente, wo wir, wie Belzunce in Marseille, dem gewissen Tode ins Auge blicken müssen,« erwiderte, ihn unterbrechend, der Abbé Gabriel.
In diesem Augenblick fühlte der Pfarrer seine Soutane von einer Hand angefaßt, er hörte Schluchzer, drehte sich um und sah die ganze Familie auf den Knien. Alle streckten die Hände flehend aus. Ein einziger Schrei ertönte, als er ihnen sein brennendes Gesicht zeigte:
»Retten Sie wenigstens seine Seele!«
Die alte Großmutter hatte den Saum seiner Soutane ergriffen und ihn mit ihren Tränen benetzt.
»Ich ... werde gehorchen, mein Herr ...«
Nachdem er dies Wort ausgesprochen hatte, sah sich der Pfarrer gezwungen, Platz zu nehmen, so sehr zitterten seine Beine. Der junge Sekretär setzte auseinander, in welchem Rasereizustande sich Jean-François befand.
»Glauben Sie,« sagte der Abbé Gabriel zum Schluß, »daß ihn der Anblick seiner jungen Schwester umzustimmen vermöchte?«
»Ja sicher,« antwortete der Pfarrer. – »Sie sollen uns begleiten, Denise.«
»Und ich auch!« sagte die Mutter.
»Nein!« rief der Vater; »das Kind ist nicht mehr da. Du weißt es. Keinen von uns soll er sehen.«
»Widersetzen Sie sich seinem Heile nicht,« sagte der junge Abbé, »Sie würden für seine Seele verantwortlich sein, wenn Sie die Mittel verweigern, sie zu rühren. In diesem Moment kann sein Tod noch viel nachteiliger sein, als es sein Leben gewesen ist.«
»Sie soll gehen,« sagte der Vater. »Das wird ihre Strafe dafür sein, daß sie sich allen Züchtigungen widersetzt hat, mit denen ich ihren Jungen bestrafen wollte.«
Abbé Gabriel und Monsieur Bonnet kehrten ins Pfarrhaus zurück, wo im Augenblicke der Abreise der beiden Geistlichen nach Limoges sich einzufinden Denise und ihre Mutter aufgefordert wurden. Als sie den Pfad entlanggingen, der den Außenlinien des oberen Montégnac folgte, konnte der junge Mann den vom Generalvikar so sehr gerühmten Pfarrer weniger oberflächlich als in der Kirche prüfen: sofort wurde er durch die einfachen und würdevollen Manieren, durch die zauberhafte Stimme, und durch die mit dieser Stimme in Einklang stehenden Worte zu seinen Gunsten eingenommen. Der Pfarrer war nur ein einziges Mal in den bischöflichen Palast gekommen, seit der Prälat Gabriel de Rastignac als Sekretär genommen hatte; er hatte den zum Episkopat ausersehenen Günstling kaum gesehen, wußte aber, welchen Einfluß er besaß; nichtsdestoweniger benahm er sich mit einer würdevollen Anmut, aus welcher die souveräne Unabhängigkeit sprach, welche die Kirche den Pfarrern in ihren Sprengeln gewährt. Anstatt Gabriels Gesicht zu beseelen, zeigten sich die Gefühle darauf in: einer strengen Miene;
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