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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Alten und Jean-François' Mutter mit dem Gelde fortfahren sollte. Der Rest der Familie wollte in der Nacht zu Fuß wandern.
    Im Augenblick, da der junge Abbé in das niedrige Zimmer trat, wo all die Persönlichkeiten vereinigt waren, hatte der Pfarrer von Montégnac schon alle Hilfsquellen seiner Beredsamkeit erschöpft. Die beiden Alten, gefühllos in ihrem Schmerz, hatten sich in einem Winkel auf ihre Säcke gekauert und betrachteten ihr altes Erbhaus, seine Möbel und den Käufer, dann sahen sie sich gegenseitig an wie um zu sagen: »Hätten wir jemals geglaubt, daß uns ein derartiges Ereignis treffen könnte?« Diese alten Leute, die ihrem Sohne ihre Autorität schon lange übergeben hatten, waren wie alte Könige nach ihrer Abdankung zu der passiven Rolle der Untertanen und Kinder herabgestiegen. Tascheron stand aufrecht, er hörte den Pastor an, dem er mit leiser Stimme einsilbige Worte erwiderte. Dieser etwa achtundvierzigjährige Mann, hatte jenes schöne Gesicht, das Tizian für alle seine Apostel gefunden hat: ein Antlitz voller Treue, ernster und nachdenklicher Billigkeit, ein strenges Profil, eine im rechten Winkel geschnittene Nase, blaue Augen, eine edle Stirn, regelmäßige Züge, kurze schwarze, hochstehende Haare, die mit jener Gleichmäßigkeit gewachsen waren, welche den durch die Arbeiten im vollen Lichte gebräunten Gesichtern Reiz verleiht. Leicht war zu merken, daß die Reden des Pfarrers an einem unbeugsamen Willen machtlos abprallten. Denise hatte sich an den Backtrog gelehnt und sah den Notar an, der sich dieses Möbels als Schreibtisch bediente, und dem man den Sessel der Großmutter gegeben hatte. Der Käufer saß auf einem Stuhle neben dem Notar. Die beiden verheirateten Schwestern legten ein Tischtuch auf den Tisch und trugen die letzte Mahlzeit auf, welche die Alten anbieten und in ihrem Hause, in ihrer Heimat essen wollten, ehe sie unter unbekannte Himmelsstriche reisten. Die Männer saßen halb auf einem großen, grünen Sergesofa. Die Mutter war am Herde beschäftigt und buk dort einen Eierkuchen. Die Enkel versperrten die Tür, vor welcher die Familie des Käufers war. Das alte verräucherte Zimmer mit schwarzen Deckenbalken, durch dessen Fenster man in einen gutgepflegten Garten blickte, dessen sämtliche Bäume von den beiden Siebzigjährigen gepflanzt worden waren, stand im Einklang mit ihren konzentrierten Schmerzen, die in so vielen verschiedenen Ausdrücken auf diesen Gesichtern zu lesen standen. Die Mahlzeit war hauptsächlich für den Notar, den Käufer, für die Kinder und die Männer zubereitet worden. Der Vater und die Mutter, Denise und ihre Schwestern hatten ein viel zu bedrücktes Herz, um ihren Hunger zu stillen. Eine tiefe und grausame Ergebung lastete auf diesen letzten Pflichten erfüllter ländlicher Gastfreundschaft. Die Tascheron, diese Leute alten Schlages, hörten auf, wie man beginnt, indem sie die Wirte spielten. Dies Gemälde ohne jede Emphase und trotzdem voller Feierlichkeit, überraschte die Blicke des bischöflichen Sekretärs, als er dem Pfarrer von Montégnac des Prälaten Absicht mitteilte.
    »Der Sohn des braven Mannes hier lebt noch,« sagte Gabriel zum Pfarrer.
    Bei diesen Worten, die inmitten des Schweigens von allen verstanden wurden, stellten sich die beiden greisen Leute auf ihre Füße, wie wenn die Trompete des letzten Gerichts geblasen worden wäre. Die Mutter ließ ihre Pfanne ins Feuer fallen. Denise stieß einen Freudenschrei aus, alle anderen verharrten in einer Betäubung, die sie versteinerte.
    »Jean-François hat seine Begnadigung!« schrie plötzlich das ganze Dorf, das auf das Tascheronsche Haus zustürzte.
    »Hochwürden der Bischof hat ...«
    »Ich wußte wohl, daß er unschuldig sei,« sagte die Mutter.
    »Das legt dem Geschäft doch nichts in den Weg?« fragte der Käufer, dem der Notar mit einem befriedigenden Zeichen antwortete.
    Abbé Gabriel wurde in diesem Moment der Zielpunkt aller Blicke; seine Traurigkeit ließ einen Irrtum argwöhnen, und um ihn nicht selber berichtigen zu müssen, ging er vom Pfarrer gefolgt hinaus und stellte sich vor dem Hause auf, um die Menge zurückzuschicken, indem er zu den ersten Leuten, die um ihn herumstanden, sagte, daß die Hinrichtung nur aufgeschoben worden wäre. Der Tumult machte daher sofort einem düstren Schweigen Platz. Im Augenblick, wo der Abbé Gabriel und der Pfarrer zurückkamen, sahen sie auf allen Gesichtern den Ausdruck eines furchtbaren Schmerzes, man hatte das Schweigen

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