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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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setzte. Der Oktobermonat begann, die Natur wurde düster und trist. Monsieur Bonnet, der seit Véroniques Ankunft in Montégnac eine große innere Wunde bei ihr bemerkt hatte, hielt es für klüger, das völlige Vertrauen dieser Frau, die sein Beichtkind werden mußte, abzuwarten. Eines Abends blickte Madame Graslin den Pfarrer mit einem Auge an, das beinahe erloschen war durch die Unentschiedenheit, die mit Todesgedanken spielende Leute zeigen. Von dem Augenblick an zögerte Monsieur Bonnet nicht länger und hielt es für seine Pflicht, die Fortschritte dieser grausamen moralischen Krankheit kennenzulernen. Anfangs gab es zwischen Véronique und dem Pfarrer einen Kampf mit leeren Worten, hinter denen sie ihre wirklichen Gedanken verbargen. Trotz der Kühle war Véronique in diesem Momente auf einer Granitbank und hielt Francis auf ihrem Schoße. Die Sauviat stand aufrecht, gegen die Backsteinbalustrade gelehnt und verbarg absichtlich den Friedhofsblick. Aline wartete, daß ihre Herrin ihr das Kind zurückgeben würde.
    »Ich glaubte, Madame,« sagte der Pfarrer, der bereits zum siebenten Male kam, »daß Sie nur melancholisch wären; sehe nun aber,« sagte er ihr ins Ohr, »daß Sie verzweifelt sind. Dies Gefühl ist weder christlich noch katholisch.«
    »Ach,« antwortete sie, einen durchbohrenden Blick gen Himmel werfend und ein bitteres Lächeln über ihre Lippen irren lassend, »welches Gefühl laßt die Kirche denn den Verdammten, wenn es nicht die Verzweiflung ist?«
    Beim Hören solcher Worte gewahrte der heilige Mann ungeheure, verwüstete Weiten in dieser Seele.
    »Ah, Sie machen aus diesem Hügel Ihre Hölle, während er der Kalvarienberg sein müßte, von dem aus Sie sich in den Himmel erheben könnten! ...«
    »Ich bin nicht mehr hoffärtig genug, um mich auf solch einen Säulenfuß zu stellen,« antwortete sie mit einem Ton, aus dem die tiefe Verachtung sprach, die sie vor sich selber hatte.
    Da nahm der Priester, der Mann Gottes, in einer jener Eingebungen, die bei solch schönen, reinen Seelen so natürlich und so fruchtbar sind, das Kind in seine Arme, küßte es und sagte: »Armer Kleiner!« mit einer väterlichen Stimme und gab ihn dann selbst der Kammerfrau zurück, die ihn forttrug.
    Die Sauviat sah ihre Tochter an und begriff, wie wirksam Monsieur Bonnets Wort gewesen war, denn Tränen feuchteten Véroniques so lange schon trockne Augen. Die alte Auvergnatin machte dem Priester ein Zeichen und verschwand.
    »Gehen wir auf und ab,« sagte Monsieur Bonnet zu Véronique und führte sie die Terrasse entlang zum anderen Ende, von wo aus man les Tascherons sah. »Sie gehören mir, ich schulde Gott Rechenschaft für Ihre kranke Seele.«
    »Lassen Sie mich von meiner Niedergeschlagenheit mich erholen,« sagte sie zu ihm.
    »Ihre Niedergeschlagenheit ergibt sich aus düsteren Betrachtungen,« fuhr er lebhaft fort.
    »Ja,« antwortete sie mit der Naivität des bei dem Punkte angelangten Schmerzes, wo man keine Schonung mehr kennt.
    »Ich sehe, Sie sind in den Abgrund der Gleichgültigkeit gestürzt!« rief er. »Wenn es eine Stufe physischen Leidens gibt, wo die Scham stirbt, so gibt es auch eine Stufe moralischen Leidens, wo die Energie der Seele verschwindet, das weiß ich!«
    Sie war erstaunt, solch feine Beobachtungen und solch zartes Mitleid bei Monsieur Bonnet zu finden, doch verlieh, wie man bereits gesehen hat, das köstliche Zartgefühl, das keine Leidenschaft bei diesem Manne beeinträchtigt hatte, ihm für die Schmerzen seiner Beichtkinder das mütterliche Gefühl der Frau. Diese mens divinior, diese apostolische Zärtlichkeit stellt den Priester über andere Männer, macht ein göttliches Wesen aus ihm. Madame Graslin war mit Monsieur Bonnet noch nicht genug zusammen gewesen, als daß sie diese, wie eine Quelle, von der Gnade, Frische und wahres Leben ausgehen, in der Seele verborgene Schönheit hätte kennenlernen können.
    »Ach, mein Herr! ...« rief sie, indem sie sich ihm durch eine Geste und durch einen Blick, wie ihn Sterbende haben, auslieferte.
    »Ich verstehe Sie!« erwiderte er. »Was tun? Was soll werden?«
    Schweigend schritten sie die Balustrade entlang und gingen der Ebene zu. Dieser feierliche Augenblick schien dem Bringer guter Botschaften, dem Sohne Christi, günstig.
    »Denken Sie, Sie stünden vor Gott,« sagte er mit leiser Stimme und geheimnisvoll, »was würden Sie ihm sagen? ...«
    Madame Graslin blieb wie vom Blitz getroffen stehn und schauderte leicht zusammen.
    »Wie

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