Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
und die sich bei diesem Anprall an Gott wiederaufrichtet. Einem heidnischen Orestes gleichen Sie, werden Sie Sankt Paulus!«
    »Ihr Wort hat mich völlig verwandelt,« rief sie. »Jetzt, o jetzt, will ich leben!«
    »Der heilige Geist hat gesiegt,« sagte sich der bescheidene Priester, der freudig erregt fortging.
    Der heimlichen Verzweiflung, die Madame Graslin verschlang, hatte er Nahrung hingeworfen, indem er ihrer Reue die Form einer schönen und guten Handlung gab. Schon am folgenden Morgen schrieb Véronique an Monsieur Grossetête. Einige Tage später erhielt sie aus Limoges drei Sattelpferde, die ihr von ihrem alten Freunde geschickt wurden. Auf ihre Frage hatte Monsieur Bonnet Véronique den Postmeistersohn angeboten, einen jungen Mann, der entzückt war, in Madame Graslins Dienst zu treten und fünfzig Taler zu verdienen. Dieser junge Bursche mit rundem Gesicht, schwarzen Augen und Haaren, klein, schlank und kräftig namens Maurice Champion, gefiel Véronique und wurde sofort eingestellt. Er sollte seine Herrin bei ihren Ausflügen begleiten und für die Sattelpferde Sorge tragen.
    Der Hauptwächter von Montégnac war ein ehemaliger Kavallerieunteroffizier der königlichen Garde, aus Limoges gebürtig, und der Herzog von Navarreins hatte ihn auf eine seiner Besitzungen in Montégnac geschickt, um ihren Wert zu prüfen und ihm Aufschlüsse zu bringen, um zu erfahren, welchen Vorteil er daraus ziehen könnte. Jérôme Colorat sah dort nur die unfruchtbaren und unbebauten Ländereien, und auf Grund der Transportschwierigkeiten unausbeutbare Wälder, ein zerfallenes Schloß und enorme Kosten, die aufzuwenden waren, um Wohnung und Gärten wiederherzustellen. Vor allem über die mit Granitblöcken besäten Lichtungen erschrocken, die den unendlichen Wald von weitem schattierten, wurde dieser brave, aber unintelligente Diener die Ursache des Gutsverkaufs.
    »Colorat,« sagte Madame Graslin zu ihrem Wächter, den sie hatte kommen lassen, »von morgen an werde ich höchstwahrscheinlich alle Morgen ausreiten. Sie dürften die verschiedenen Teile der Ländereien dieser Domäne und derer, die Monsieur Graslin hier vereinigt hat, kennen und werden sie mir zeigen; ich will alles selber besichtigen.«
    Die Schloßbewohner bemerkten voller Freude den Wechsel, der sich in Véroniques Benehmen kundtat. Ohne Befehl dazu erhalten zu haben, suchte Aline von selbst ihrer Herrin altes schwarzes Reitkleid hervor und setzte es in Stand. Mit unsagbarem Vergnügen sah die Sauviat am anderen Morgen ihre Tochter zum Reiten angezogen. Von ihrem Wächter und von Champion geführt, die sich auf ihre Erinnerungen verlassend ritten – denn Pfade waren durch die unbewohnten Berge kaum gelegt – stellte Madame Graslin es sich zur Aufgabe, nur die Gipfel zu besuchen, über die sich ihre Wälder erstreckten, um ihre Abhänge kennenzulernen und sich mit den Schluchten vertraut zu machen, jenen natürlichen Wegen, welche diesen langen Kamm zerreißen. Sie wollte ihre Aufgabe abmessen, die Natur der Wasserläufe studieren und die Naturkräfte für das von dem Pfarrer angezeigte Unternehmen finden. Sie folgte Colorat, der vorausritt; Champion ritt einige Schritte hinter ihr. Solange es durch die baumbestandenen Teile ging, bald auf- bald niedersteigend in dem in französischen Gebirgen so häufigem welligen Terrain, wurde Véronique durch die Wunder des Waldes gefangen. Er bestand aus hundertjährigen Bäumen, deren erste sie in Erstaunen setzten; schließlich aber gewöhnte sie sich an sie. Da gab es natürlichen Hochwald, oder in einer Lichtung eine einzelne Fichte von erstaunlicher Höhe; endlich etwas Selteneres, einen jener Sträucher, die anderswo überall zwerghaft sind, die aber durch merkwürdige Umstände zu riesenhaften Entwicklungen gelangen und manchmal ebenso alt sind wie der Erdboden. Nicht ohne eine unaussprechliche Empfindung sah sie eine Wetterwolke über die nackten Felsen hinstreifen. Sie bemerkte die weißlichen Rinnen, welche Bäche geschmolzenen Schnees gegraben haben und die von weitem Wundmalen gleichen. Bei einem vegetationslosen Schlunde bewunderte sie an den abgeblätterten Flanken eines felsigen Hügels hundertjährige Kastanien, die ebenso geradegewachsen waren wie Alpentannen. Die Schnelligkeit ihres Ritts erlaubte ihr fast im Vogelfluge bald bewegliche Sandflächen, mit Bäumen dünn bestandene Schlammlöcher, umgestürzte Granitblöcke, hängende Felsen, dunkle Täler, große Strecken noch blühender und andere

Weitere Kostenlose Bücher