Der Dorfpfarrer (German Edition)
abgesessen, dann ist er begnadigt worden und ist 1827 aus dem Bagno herausgekommen. Sein Leben verdankt er dem Herrn Pfarrer, der ihn bestimmt hat, sich zu stellen. Er war in contumaciam zum Tode verurteilt worden, früher oder später mußte er gefaßt werden, und seine Sache hat nicht gut gestanden. Monsieur Bonnet hat ihn ganz allein aufgesucht, auf die Gefahr hin umgebracht zu werden. Man weiß nicht, was er zu Farrabesche gesagt hat. Zwei Tage über sind sie allein geblieben, am dritten hat er ihn nach Tülle gebracht, wo der andere sich selbst gestellt hat. Monsieur Bonnet hat einen guten Advokaten aufgesucht und ihm Farrabesches Sache nahegelegt. Farrabesche ist zu zehn Jahren Ketten verurteilt worden und der Herr Pfarrer hat ihn in seinem Gefängnis besucht. Dieser Bursche, der der Schrecken des Landes war, ist sanft wie ein junges Mädchen geworden und hat sich ruhig ins Bagno abführen lassen. Bei seiner Rückkehr hat er sich unter des Herrn Pfarrers Schutz hier niedergelassen. Kein Mensch mehr nennt ihn bei seinem Namen; alle Sonn- und Feiertage kommt er zum Gottesdienst in die Messe. Wiewohl er seinen Platz zwischen uns hat, bleibt er ganz für sich an der Langmauer. Von Zeit zu Zeit geht er beichten, am heiligen Tisch aber hält er sich auch abseits.«
»Und dieser Mensch hat einen anderen Menschen getötet?«
»Einen? ...« sagte Colorat, »er hat wohl viele umgebracht. Trotzdem ist er aber ein guter Mensch.«
»Ist das möglich?« rief Véronique, die in ihrer Betäubung den Zügel auf den Hals ihres Pferdes fallen ließ.
»Sehen Sie, Madame,« fuhr der Wächter fort, der sich nichts Besseres wünschte, als diese Geschichte zu erzählen, »im Grunde hat Farrabesche vielleicht recht gehabt. Er war der letzte der Farrabesche, einer alten Familie in der Corrèze; jawohl. Sein ältester Bruder, der Kapitän Farrabesche, ist also zehn Jahre, vorher in Italien bei Montenotte, gefallen; war mit zweiundzwanzig Jahren Kapitän. Das heißt Pech haben! War ein Mann, der Mittel besaß, zu lesen und schreiben verstand, er versprach sich, zum General ernannt zu werden. Das gab Wehklagen in der Familie, und dazu war Grund vorhanden, jawohl! Ich, der ich zu der Zeit bei dem anderen war, habe von seinem Tode reden hören! Oh, der Kapitän Farrabesche hatte einen schönen Tod, er hat die Armee und den kleinen Korporal gerettet. Ich diente bereits unter General Stringel, einem Deutschen, das heißt einem Elsässer, einem berühmten General; aber er war kurzsichtig und dieser Fehler war Ursache seines Todes, der einige Zeit nach dem des Kapitän Farrabesche eintrat. Der letzte kleine Farrabesche, unserer eben, war also sechs Jahre alt, als er von dem Tode seines großen Bruders reden hörte. Der zweite Bruder diente auch, aber als Soldat. Er fiel als Sergeant des ersten Garderegiment – ein feiner Posten – in der Schlacht bei Austerlitz, wo man, sehen Sie, Madame, so ruhig manövriert hat wie in den Tuilerien ... Ich war auch dabei! Oh, ich hab' Glück gehabt, ich hab' alles mitgemacht, ohne eine Wunde zu erwischen. Unser Farrabesche also, obwohl er tapfer ist, setzt sich in den Kopf, nicht zum Militär zu gehen. Wahrlich, die Armee war ja auch nicht gesund für die Familie. Als der Unterpräfekt ihn 1811 verlangt hat, ist er in die Wälder geflohen; ein unsicherer Kantonist, jawohl, wie man sie damals nannte. Freiwillig oder gezwungen hat er sich dann mit einer Schar Fußbrenner zusammengetan, schließlich hat er auch gebrannt! Sie begreifen, daß niemand anders wie der Herr Pfarrer es wußte, was er mit diesen, mit Respekt zu sagen, Schweinkerlen anstellen mußte! Er hat sich oft mit den Gendarmen herumgeschlagen, und mit den Soldaten auch. Kurz, er ist bei sieben Kämpfen dabei gewesen! ...«
»Es heißt, er hätte zwei Soldaten und drei Gendarme getötet!« sagte Champion.
»Weiß man denn die Zahl? Er hat sie nicht gesagt,« fuhr Colorat fort; »kurz, Madame, fast alle anderen sind festgenommen worden; er aber, Donnerwetter, jung und flink, kannte das Land gut und ist immer entwischt. Diese Fußbrenner hielten sich in der Umgegend von Brives und Tulle; häufig kamen sie hierher, wo Farrabesche sie ja leicht verstecken konnte. 1814 hat man sich nicht mehr mit ihm beschäftigt, die Aushebung zum Militär war abgeschafft worden, er aber war gezwungen gewesen, das Jahr 1815 in den Wäldern zu verbringen. Da er keine Mittel zum Leben besaß, hat er nochmals mit geholfen, die Post in der Schlucht da unten
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