Der Dorfpfarrer (German Edition)
anzuhalten; doch schließlich hat er sich auf des Herrn Pfarrer Rat hin selber gestellt. Es ist nicht leicht gewesen, Zeugen zu finden, niemand wagte gegen ihn auszusagen. Dann haben sein Advokat und der Herr Pfarrer so viel getan, daß er mit zehn Jahren Kerker davonkam. Er hat Glück gehabt, nachdem er gebrannt hatte, denn er hat gebrannt!« »Aber was heißt denn das: er hat gebrannt?«
»Wenn Sie's wünschen, Madame, will ich Ihnen sagen, was sie taten, so gut ich's von dem einen oder anderen weiß, denn, Sie begreifen, ich hab' nicht gebrannt! Das ist nicht schön, doch Not kennt kein Gebot. Sie – ihrer sieben oder acht – überfielen einen Pächter oder Grundbesitzer, von dem sie vermuteten, daß er viel Geld hatte. Sie zündeten dort ein Feuer an, speisten mitten in der Nacht und dann, zwischen Birne und Käse, wenn der Hausherr ihnen die verlangte Summe nicht geben wollte, banden sie seine Füße an den Kesselhaken und machten sie nicht eher wieder los, bis sie ihr Geld gekriegt hatten: so war's! Sie kamen vermummt. In der Reihe ihrer Ueberfälle hat's auch unglückliche gegeben. Donnerwetter, es gibt immer hartnäckige, geizige Leute! Ein Pächter, der Vater Cochegrue, der lieber knickerte, hat sich die Füße verbrennen lassen! Auch gut, er ist dran gestorben! Die Frau von Monsieur David, bei Brives, ist an den Folgen des Schreckens, den ihr die Leute da eingejagt haben, gestorben, nur weil sie die Füße ihres Mannes hat angebunden werden sehen. ›Gib ihnen doch, was du hast!‹ sagte sie zu ihm, als sie fortging. Er wollte nicht; sie hat ihnen das Versteck gezeigt. Fünf Jahre lang sind die Fußbrenner der Schrecken des Landes gewesen, aber können Sie's kapieren – Verzeihung Madame – daß mehr als ein Junge aus gutem Hause darunter war? Und die ließen sich nicht erwischen!«
Madame Graslin hörte zu, ohne zu antworten. Es entstand ein augenblickliches Schweigen. Der kleine Champion, der begierig war, seine Herrin zu unterhalten, wollte erzählen, was er von Farrabesche wußte.
»Man muß Madame aber auch alles sagen, wie es sich verhält. Farrabesche hat seinesgleichen nicht im Laufen und Reiten. Er tötet ein Rind mit seinem Faustschlage. Er trägt sieben Zentner, weiß Gott! Niemand schießt besser als er. Wie ich klein war, erzählte man mir Farrabesches Abenteuer. Eines Tages ist er mit drei seiner Gefährten überrascht worden: sie kämpfen miteinander, schön, zwei sind verwundet und der dritte tot, gut! Farrabesche sieht sich gepackt; bah, er springt auf das Pferd eines Gendarms, auf die Kruppe hinter den Kerl, spornt das Pferd, das sich aufbäumt, setzt es in rasenden Galopp und verschwindet, den Gendarmen mitten um den Leib festhaltend. Preßt ihn so stark, daß er ihn in einer gewissen Entfernung zu Boden werfen und allein auf dem Pferde bleiben kann, und entwischt als Herr des Pferdes! Er hat sogar die Stirn besessen, es zehn Meilen hinter Limoges zu verkaufen. Nach diesem Streiche blieb er drei Monate über versteckt und unauffindbar. Dem, der ihn ausliefern würde, hatte man hundert Louis versprochen!«
»Was die für ihn vom Präfekten von Tulle versprochenen hundert Louis anlangt,« fügte Colorat hinzu, »so ließ er sie ein andres Mal einen seiner Vettern gewinnen, den Giriex aus Vizay. Sein Vetter gab ihn an und tat so, als ob er ihn ausliefern wollte! Oh, er lieferte ihn aus! Die Gendarmen waren sehr glücklich, ihn nach Tulle zu bringen. Weit ging er aber nicht, man sah sich genötigt, ihn in das Gefängnis von Lubersac einzusperren, woraus er in der ersten Nacht entwischte, indem er ein Loch benutzte, das einer seiner Mitwisser namens Gabille gemacht hatte, ein Deserteur vom Siebzehnten, der in Tulle hingerichtet wurde, und welcher vor der Nacht, in der er sich zu retten gedachte, abtransportiert wurde. Diese Abenteuer verliehen Farrabesche einen Anstrich von Berühmtheit. Die Schar hatte ihre Helfershelfer; Sie verstehen! Uebrigens liebte man die Fußbrenner. Ach, Donnerwetter, diese Leute waren nicht wie die heutzutage, jeder dieser kecken Burschen gab sein Geld königlich aus. Stellen Sie sich vor, Madame, eines Abends ward Farrabesche von den Gendarmen verfolgt, nicht wahr? Gut, er ist ihnen diesmal dadurch entwischt, daß er vierundzwanzig Stunden über in dem Pfuhl einer Pachtung blieb, er atmete durch einen Strohhalm, den er in der Höhe des Misthaufens heraussteckte. Das war nur eine kleine Unannehmlichkeit für ihn, der die Nächte auf den höchsten Baumwipfeln
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