Der Dorfpfarrer (German Edition)
verbracht hat, wo sich kaum Spatzen hielten, indem er die Soldaten beobachtete, die ihn suchend unter ihm hin und her gingen. Farrabesche ist einer der fünf oder sechs Fußbrenner gewesen, die das Gericht nicht hat fassen können; da er aber aus dem Lande stammte und nur gezwungen bei ihnen war, kurz, nur geflohen war, um dem Militärdienst zu entgehen, waren die Frauen für ihn, und das heißt viel!«
»So hat Farrabesche wohl sicherlich mehrere Männer getötet?« fragte Madame Graslin nochmals.
»Sicherlich,« antwortete Colorat, »er hat sogar, wie es heißt, den Reisenden getötet, der 1812 in der Post saß; doch der Kurier und der Postillon, die einzigen Zeugen, die ihn wiedererkennen konnten, waren tot, als er vor Gericht stand.«
»Um ihn zu bestehlen?« fragte Madame Graslin.
»Oh, sie haben alles genommen; doch die fünfundzwanzigtausend Franken, die sie gefunden haben, gehörten der Regierung.«
Madame Graslin ritt eine Meile über schweigsam dahin. Die Sonne war untergegangen, der Mond erhellte die graue Ebene, sie sah aus, als ob sie das weite Meer wäre. Es gab einen Augenblick, wo Champion und Colorat Madame Graslin betrachteten, deren tiefes Schweigen sie beunruhigte. Sichtlich betroffen waren sie, als sie auf ihren Wangen zwei glänzende Spuren sahen, die von einem Tränenüberfluß erzeugt worden waren; ihre Augen waren rot und mit Zähren gefüllt, die Tropfen auf Tropfen niederrannen.
»Oh, Madame,« sagte Colorat, »bedauern Sie ihn nicht! Der Junge hat eine gute Zeit gehabt, hat hübsche Geliebte gehabt, und jetzt, wiewohl er unter der Ueberwachung der hohen Polizei steht, wird er von des Herrn Pfarrers Schätzung und Freundschaft begünstigt; denn er hat bereut und seine Aufführung im Bagno ist eine der musterhaftesten gewesen. Jeder weiß, daß er ebenso ehrenwert ist wie einer der ehrenwertesten unter uns; nur ist er stolz und will sich nicht gern irgendeinem Beweise von Widerwillen aussetzen. Er lebt ruhig und tut in seiner Weise Gutes. Auf der anderen Seite der Roche-Vive hat er vierzehn Arpents in Baumschulen für Sie angelegt, und er pflanzt im Walde an, wenn er Stellen sieht, wo Bäume fortkommen können. Ferner putzt er die Bäume aus, sammelt das abgestorbene Holz, bindet es in Bündel und stellt es armen Leuten zur Verfügung. Jeder Arme ist sicher, immer vollkommen zerkleinertes Holz zu kriegen und erbittet es sich von ihm, anstatt es sich zu nehmen und Ihren Wäldern Schaden zuzufügen, so daß er, wenn er heute Leute brennt, ihnen Gutes zufügt. Farrabesche liebt Ihren Wald und sorgt für ihn wie wenn er sein eigen wäre!«
»Und er lebt! ... ganz allein?« rief Madame Graslin, die sich beeilte, die beiden letzten Worte hinzuzufügen.
»Entschuldigen Sie, Madame, er sorgt für einen kleinen Jungen, der ins fünfzehnte Jahr geht,« sagte Maurice Champion.
»Meine Treu, ja!« fügte Colorat hinzu. »Denn die Curieux kriegte dies Kind ja kurze Zeit, ehe Farrabesche sich selber gestellt hat.«
»Ist es sein Kind?« fragte Madame Graslin.
»Jeder meint's.«
»Und warum hat er das Mädchen nicht geheiratet?«
»Wie denn? Man würde ihn festgenommen haben. Auch hat das arme Mädchen, die Curieux, als sie hörte, daß er verurteilt worden war, das Land verlassen.«
»War sie hübsch?«
»Oh,« sagte Maurice, »meine Mutter behauptet, daß sie sehr ... halt ... einem anderen Mädchen gliche, die auch das Land verlassen hat, der Denise Tascheron.«
»Und er wurde geliebt?« fragte Madame Graslin.
»Bah, weil er brannte!« antwortete Colorat; »Frauen lieben das Ungewöhnliche. Indessen hat man sich im Lande über nichts mehr gewundert als über diese Liebe! Cathérine Curieux lebte ehrbar wie eine heilige Jungfrau. Sie galt für eine Tugendperle in ihrem Dorfe, in Vizay, einem großen Flecken in der Corrèze, an der Grenze der beiden Bezirke. Ihr Vater und ihre Mutter sind dort Pächtersleute der Brézac. Die Cathérine Curieux mochte wohl ihre siebzehn Jahre alt sein, als Farrabesche verurteilt wurde. Die Farrabesche waren eine alte Familie derselben Gegend, die sich auf den Domänen von Montégnac festgesetzt hatten, sie hielten die Dorfpachtung. Vater und Mutter Farrabesche sind tot; die drei Schwestern der Curieux aber sind verheiratet, eine in Aubusson, eine in Limoges, eine in Saint-Léonard.«
»Glauben Sie, daß Farrabesche weiß, wo Cathérine ist?« sagte Madame Graslin.
»Wenn er's wüßte, würde er seine Acht brechen; oh, er würde hingehen ... Nach seiner
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