Der Dorfpfarrer (German Edition)
Lebhaftigkeit und schwarze, über der Stirn und längs jeder Gesichtshälfte abgeschnittene Haare hatte. Größer als es gewöhnlich ein Kind seines Alters ist, maß der Kleine fast fünf Fuß. Seine Hose bestand wie sein Hemd aus derbem ungebleichtem Leinen; seine Weste aus dickem, sehr abgenützten Tuch, hatte Hornknöpfe; er trug einen Rock aus jenem seltsamerweise Morianasammet genannten Tuch, in das sich die Savoyarden kleiden, dicke eisenbeschlagene Stiefel und keine Strümpfe. Dies Kostüm war genau das des Vaters; nur trug Farrabesche einen breiten Bauernfilzhut auf dem Kopfe und der Kleine trug eine braune Leinenkappe. Obwohl des Kindes Physiognomie geistreich und beseelt war, trug sie doch mühelos die den in der Einsamkeit lebenden Kreaturen eigentümliche Ernsthaftigkeit zur Schau; sie hatte sich mit dem Schweigen und dem Leben der Wälder in Einklang bringen müssen. Auch waren Farrabesche und sein Sohn besonders nach der physischen Seite hin entwickelt, sie besaßen die bemerkenswerten Eigenschaften der Wilden: einen durchdringenden Blick, ständige Aufmerksamkeit, eine gewisse Herrschaft über sich selbst, das sichere Ohr, eine sichtliche Beweglichkeit und eine gewandte Klugheit. Beim ersten Blick, den das Kind auf seinen Vater warf, merkte Madame Graslin eine jener grenzenlosen Zuneigungen, wo der Instinkt sich an das Denkvermögen gewöhnt hat und wo das tätigste Glück sowohl das Wollen des Instinktes als auch die Prüfung des Denkvermögens bekräftigt.
»Das ist der Junge, von dem man mir gesprochen hat?« sagte Véronique, auf das Kind hinweisend.
»Ja, Madame!«
»Sie haben also keinen Schritt getan, um seine Mutter wiederzufinden?« fragte Veronique Farrabesche, indem sie ihn durch ein Zeichen einige Schritte beiseite führte.
»Madame weiß zweifelsohne nicht, daß es mir verboten ist, mich aus der Gemeinde, in der ich mich aufhalte, zu entfernen ...«
»Und niemals haben Sie Nachrichten erhalten?«
»Am Ende meiner Zeit«, antwortete er, »händigte mir der Kommissar eine Summe von tausend Franken aus, die sie mir in kleinen Beträgen von drei Monaten zu drei Monaten gesandt hatte und die man mir nach den Vorschriften nicht vor dem Entlassungstage geben durfte. Ich hab' gemeint, daß nur Cathérine an mich gedacht haben könnte, da es Monsieur Bonnet nicht war; nun, ich hab' die Summe auch für Benjamin aufgehoben.«
»Und Cathérines Eltern?«
»Haben nach ihrem Fortgange nicht mehr an sie gedacht. Uebrigens taten sie genug, da sie sich ja des Kleinen annahmen!«
»Gut, Farrabesche,« sagte Véronique, sich nach dem Hause zurückwendend; »ich will alles tun, um zu erfahren, ob Cathérine noch lebt, wo sie ist, was für eine Lebensweise sie führt ...«
»Oh, wie die auch sein möge,« rief der Mann sanft, »ich will es als ein Glück erachten, sie als Frau zu haben. Ihr kommt's zu, sich schwierig zu erzeigen, und nicht mir. Unsere Heirat würde den armen Jungen, der noch nichts von seiner Lage ahnt, legitimieren.«
Der Blick, den der Vater auf den Sohn warf, erklärte das Leben dieser beiden aufgegebenen oder freiwillig abgetrennten Wesen: sie bedeuteten wie zwei Landsleute inmitten einer Wüste einander alles.
»Also lieben Sie Cathérine?« fragte Véronique. »Ich würde sie nicht bloß in meiner Lage lieben, Madame,« antwortete er; »sie ist für mich die einzige Frau, die's auf der Welt gibt.«
Lebhaft wandte Madame Graslin sich um und ging, wie von einem Schmerz überrascht, bis nach dem Kastanienwäldchen. Der Wächter glaubte, daß irgendeine Laune über sie gekommen sei, und wagte ihr nicht zu folgen. Etwa eine Viertelstunde lang blieb Véronique dort anscheinend damit beschäftigt, die Landschaft zu betrachten. Von dort aus überschaute sie den ganzen Teil des Waldes, der jene Talseite bedeckt, wo der Sturzbach fließt; damals war er wasserlos und voller Steine und glich einem ungeheuren Graben, der zwischen die mit Montégnac zusammenhängenden beholzten Berge und eine andere Gebirgskette gedrängt ist, die parallel läuft, jäh, vegetationslos aufsteigt und kaum von einigen schlecht gewachsenen Bäume bekrönt wird. Diese andere Kette, wo einige Birken, Wacholderbüsche und Heidekraut von ziemlich trostlosem Aussehen wachsen, gehört einer benachbarten Domäne und zum Bezirk la Corrèze. Ein Vizinalweg, der den Unebenheiten des Tales folgt, dient als Grenze zwischen dem Bezirke Montégnac und den beiden anderen Ländereien. Diese ziemlich unangenehme, schlecht
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