Der Drache aus dem blauen Ei
auf. Der arme Mogli war ganz eingeschüchtert und versteckte sich hinter Anjas Beinen.
„Grrroar!“, ertönte da plötzlich ein fürchterliches Knurren.
Prinz hörte schlagartig auf zu bellen und starrte Mogli ungläubig an.
„Groooar!“, machte es wieder. Es klang wie das Knurren eines Monsterhundes. Aber es war kein Hund, es war Lavundel. Besser gesagt Lavundels hungriger Magen. Prinz aber sah nur einen kleinen Dackel. Er zog den Schwanz ein und flüchtete winselnd ins Haus.
Mogli war völlig verblüfft. Dann begriff er endlich, dass Prinz sich vor ihm fürchtete. „Wau, wau, wau!“, bellte er seinem Gegner hinterher. Dann richtete er sich stolz auf.
Und Anja war sicher: Wenn Mogli hätte lachen können, dann hätte er es jetzt getan.
Mitternachtsfußball
Seit Anjas Geburtstag durfte Lavundel nicht einmal mehr am Fenster sitzen und hinausschauen. Mama hatte Angst, dass die Heck-Schaube ihn entdeckte. Leider hieß das aber, dass auch die Geschwister Lukas Hausarrest hatten. Sie waren nämlich ständig damit beschäftigt, Lavundel nicht aus den Augen zu lassen.
Da half es nicht gerade, dass Lavundel seit der Geburtstagsparty ein neues Lieblingswort hatte. Er benutzte es bei jeder Gelegenheit. Es lautete: langweilig.
„Langweilig!“, beschwerte er sich, als Anja mit ihm spielen wollte.
„Laaangweilig“, maulte er, als Yasemin zu Besuch kam und ein Brettspiel vor ihm aufbaute.
„Laaangweilig“, nölte er, als Bo mit ihm Märchenfilme anschauen wollte.
„Wenn er so weitermacht, darf er gerne im Haushalt helfen“, knurrte Papa beim Abendessen. „Dann wollen wir ja mal sehen, wem langweilig ist.“
Anja stocherte in ihrem Kartoffelpüree herum und warf einen Blick auf das Sofa. Lavundel hatte sich mal wieder zwischen seinen Wärmflaschen verkrochen und schmollte. Anja erinnerte sich daran, wie glücklich er sie mit seinem Piratenschnurrbart angestrahlt hatte. Sie wusste, dass sie etwas unternehmen musste. Es wurde Zeit, dass Lavundel nicht mehr wie ein Gefangener behandelt wurde.
„Ich weiß ganz genau, was mit ihm los ist“, begann sie.
„Wir auch“, erwiderten Papa, Mama und Alexander genervt wie aus einem Mund. „Ihm ist laaangweilig.“
„Ja, aber das ist doch auch kein Wunder“, sagte Anja. „Er braucht doch Abenteuer!“
„Für meinen Geschmack war die Geschichte mit Frau Heck-Schaube Abenteuer genug“, meinte Papa.
„Aber er muss auch mal rausdürfen!“, beharrte Anja. „Stellt euch doch mal vor, wie er sich fühlt: eingesperrt und herumkommandiert. Dabei ist er doch ein Drache und kein Schoßhündchen. Er braucht frische Luft. Und Spannung und Spaß.“
„Du hast doch selbst gesehen, was passiert, wenn er aus dem Haus geht“, gab Mama zu bedenken.
„Dann müssen wir ihn eben dort rauslassen, wo niemand ihn sehen kann“, sagte Anja.
„Auf dem Mond?“, fragte Alexander.
„Das ist nicht witzig!“, rief Anja verärgert. „Ich meine es ernst! Wir können ihn nicht für immer einsperren.“
„Na ja, das stimmt schon“, sagte Mama und seufzte. „Aber wie kriegen wir ihn nach draußen, ohne dass Frau Heck-Schaube oder andere Leute ihn sehen?“
„Vielleicht in Herrn Meisenbeißers Garten?“, schlug Papa vor.
„Nein, der ist zu klein“, antwortete Anja. „Er muss viel Platz haben, damit er richtig klettern und laufen kann. Er braucht einen Ort, wo es viel zu entdecken gibt.“
„Mein Kindergarten!“, rief Bo und riss die Arme hoch. „Ich nehme ihn heimlich mit. In der Frühstücksbox.“
„Denk nicht mal dran!“, sagte Mama mit einem warnenden Stirnrunzeln.
„Das Fußballstadion“, meinte Alexander. „Da hat er zumindest jede Menge Platz.“
Anja dachte angestrengt nach.
Was war wohl der abenteuerlichste Ort für einen jungen Drachen? Vielleicht … ein Dschungel? Mit Lianen, an denen er sich von Baum zu Baum schwingen konnte. Aber den gab es hier natürlich nicht. Obwohl …
„Der Abenteuerspielplatz im Stadtwald!“, rief sie dann. „Da kann er klettern und toben. Und auf den Wiesen kann Alexander mit ihm Fußball spielen.“
„Ja, bis der nächste Spaziergänger kommt und ihn entdeckt“, wandte Papa ein. „Von den vielen Kindern, die dort spielen, ganz zu schweigen.“
Jetzt hellte sich Alexanders Gesicht auf. „Nachts spielt da aber niemand“, meinte er geheimnisvoll. Er stand auf und hob die Arme wie ein Zauberer. „Meine Damen und Herren, hereinspaziert!“, sagte er mit tiefer Stimme. „Zum großen
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