Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
einer Ansammlung runder Granitfelsen, die übergangslos aus dem Grasmeer wuchsen, als wollten sie die hinter ihnen liegenden Berge nachahmen, schlug Binabik eine Art Lager auf. Nachdem er auf der Suche nach einer Stelle, die den besten Schutz vor dem aus unterschiedlichen Richtungen kommenden Regen bot, um die Felsen herumgegangen war, half er Simon in eine Lücke hinunter, die von zwei aneinanderlehnenden Blöcken gebildet wurde. Sie formten einen Winkel, in dem sich der Junge annähernd bequem niederlegen konnte. Schnell fiel Simon in einen erschöpften Schlaf.
    Von den Spitzen der Blöcke sprangen Regentropfen. Binabik hockte am Boden, breitete den Mantel des Jungen, den der Troll mit dem Rest ihrer Habseligkeiten den ganzen langen Weg von Sankt Hoderund mitgeschleppt hatte, über Simons schlaffen Körper aus und wühlte dann in seinem Rucksack nach etwas Trockenfisch zum Kauen und nach seinen Knöcheln. Qantaqa kam von einem Erkundungszug durch ihr neues Revier zurück und rollte sich auf Simons Schienbeinen zusammen. Der Troll nahm die Knöchel heraus und warf sie, wobei ihm der Rucksack als Tisch diente.
    Pfad im Schatten. Binabik lächelte bitter. Dann Herrenloser Widder und noch einmal Pfad im Schatten. Er fluchte leise, aber ausführlich. Nur ein Narr konnte eine so deutliche Botschaft unbeachtet lassen. Binabik wusste, dass er viele Eigenschaften besaß, zu denen gelegentlich auch die Torheit gehörte, aber jetzt war weder Zeit noch Ort für solche Wagnisse.
    Er zog sich die Pelzkapuze wieder über die Ohren und legte sich neben Qantaqa. Für jeden Vorüberkommenden, wenn er denn in dem schwachen Licht und mit dem Regen im Gesicht überhaupt etwas bemerkt hätte, würden die drei Gefährten ausgesehen haben wie ungewöhnliche graubraune Flechten auf der Windschattenseite der Felsen.

    »Also was für ein Spiel hast du nun mit mir gespielt, Binabik?«, erkundigte Simon sich unfreundlich. »Woher weißt du von Doktor Morgenes?« In den wenigen Stunden, die er geschlafen hatte, war aus der fahlen Dämmerung ein kalter, düsterer Morgen geworden, ohne tröstendes Lagerfeuer oder Frühstück. Der wolkengeschwollene Himmel hing so dicht über ihnen wie eine niedrige Zimmerdecke.
    »Es ist kein Spiel, das ich spiele«, erwiderte der Troll. Er hatte Simons Wunden an Hals und Beinen gereinigt und verbunden und versorgte jetzt geduldig Qantaqa. Nur eine der Verletzungen der Wölfin war ernster Natur, ein tiefer Riss an der Innenseite eines Vorderlaufes. Während Binabik den Sand aus der Haut entfernte, beschnüffelte Qantaqa seine Finger, vertrauensvoll wie ein Kind.
    »Ich habe kein Bedauern, es dir nicht gesagt zu haben; hätte ich mich nicht dazu gezwungen gefühlt, wüsstest du es immer noch nicht.« Er rieb einen Finger voll Salbe in die Wunde, dann gab er sein Reittier frei. Sofort beugte sie sich hinunter und fing an, das Bein zu belecken und daran herumzubeißen. »Ich wusste, dass sie das tun würde«, erklärte der Troll mit mildem Vorwurf und setzte dann ein nachsichtiges Lächeln auf. »Wie du glaubt sie nicht, dass ich mein Handwerk verstehe.«
    Simon merkte, dass auch er unbewusst an seinen Verbänden gezupft hatte und lehnte sich nach vorn. »Los, Binabik, sag mir, was hier vorgeht. Woher weißt du von Morgenes? Woher kommst du wirklich?«
    »Ich komme genau dorther, wo ich es sage«, entgegnete der Troll entrüstet. »Ich bin ein Qanuc. Und ich weiß nicht nur von Morgenes, ich bin ihm sogar einmal begegnet. Er ist ein guter Freund meines Meisters. Sie sind … Kollegen, sagen die gelehrten Männer dazu, denke ich.«
    »Was soll das heißen?«
    Binabik setzte sich an den Felsen. Obwohl gerade kein Regen fiel, vor dem man sich schützen musste, war schon der schneidende Wind Grund genug, in der Nähe der Felsgruppe zu bleiben. Der kleine Mann schien sich seine Worte sorgfältig zu überlegen. Simonfand, er sehe müde aus, die dunkle Haut war schlaff und einen Ton blasser als sonst.
    »Zuerst«, begann der Troll endlich, »musst du etwas über meinen Meister wissen. Sein Name war Ookequk. Er war der … Singende Mann, wie ihr es wohl nennen würdet, unseres Berges. Mit der Bezeichnung Singender Mann meinen wir nicht jemanden, der nur singt, sondern einen Mann, der sich an die alten Lieder und die alte Weisheit erinnert. Wie Doktor und Priester in einem, scheint mir.
    Ookequk wurde mein Meister, weil die Ältesten in mir gewisse Dinge zu sehen glaubten. Es war eine große Ehre, derjenige zu sein, der

Weitere Kostenlose Bücher