Der Drachenbeinthron
solche Zwecke hielt er Guthwulf bereit, die Königliche Hand.
Eolair ergab sich in sein Schicksal und führte eine leichte Unterhaltung mit der Herzogin, aber sein Herz war nicht bei der Sache. Er war jetzt überzeugt, dass sie seine Mission kannte und ihr ablehnend gegenüberstand. Benigaris war ihr Augapfel, und er hatte Eolairs Gesellschaft den ganzen Abend gemieden. Nessalanta war eine ehrgeizige Frau und zweifellos der Ansicht, dass es für das Wohlergehen Nabbans vorteilhafter wäre, wenn die Macht von Erkynland es stützen würde und nicht die Heiden von Hernystir – selbst dann noch, wenn sich der Hochkönig als tyrannischer Herrscher gebärden sollte.
Und, wurde Eolair plötzlich klar, sie hat selber eine heiratsfähige Tochter, die Herrin Antippa. Vielleicht ist ihre Anteilnahme an Miriamels Gesundheit nicht nur die einer freundlichen Tante an ihrer Nichte?
Er wusste, dass die Herzogstochter Antippa bereits einem Baron Devasalles versprochen war, einem jungen adligen Gecken, der sich just in diesem Augenblick am untersten Ende der Tafel in einer Weinpfütze mit Benigaris im Armdrücken maß. Aber vielleicht hatte Nessalanta Größeres im Auge.
Wenn Prinzessin Miriamel nicht heiraten will – oder kann –, überlegte Eolair, dann erhoffte sich die Herzogin vielleicht Fengbald als Gatten für ihre Tochter. Der Graf von Falshire wäre eine weit bessere Partie als dieser Nabbanai-Baron aus den hinteren Rängen. Und Herzog Leobardis wäre mit eisernen Ketten an das Erkynland gebunden.
Das hieß, begriff der Graf, dass man sich nicht nur um denVerbleib von Josua sorgen musste, sondern auch um Miriamel. Was für ein Durcheinander!
Wenn das der alte Isgrimnur sehen könnte, der sich immer über die vielen Intrigen beschwert! Sein Bart würde Feuer fangen!
»Sagt mir doch, Vater Dinivan«, fragte der Graf, indem er sich dem Priester zuwandte, »was hat Euer heiliges Buch über die Kunst des Politisierens zu sagen?«
»Nun«, einen Augenblick überschattete ein Ausdruck der Konzentration Dinivans schlichte, intelligente Züge, »das Buch Ädon spricht oft von den Prüfungen der Völker.« Er dachte eine weitere Sekunde nach. »Eine meiner Lieblingsstellen war immer diese hier: So der Feind mit dem Schwert in der Hand zu dir kommt, öffne ihm die Tür und sprich mit ihm, doch halte dein eigenes Schwert bereit. Kommt er mit leeren Händen, so empfange ihn ebenso. Kommt er aber mit Geschenken, so stelle dich auf deine Mauern und wirf Steine auf ihn hinab.« Dinivan wischte sich die Finger an seiner schwarzen Priesterkutte ab. »Fürwahr, ein Buch voller Weisheit«, nickte Eolair.
23
Zurück ins Herz
er Wind schleuderte ihnen Regen ins Gesicht, als sie durch die Dunkelheit ostwärts und auf die unsichtbaren Vorberge zurannten. Der Lärm aus Isgrimnurs Lager blieb hinter ihnen zurück, erstickt unter einer Decke aus Donner. Während sie über die nasse Ebene liefen, begann Simons fieberhafte Erregung abzunehmen; das ekstatische Gefühl von Energie, die Vorstellung, er könne nun immer weiter durch die Nacht springen wie ein Hirsch, wurde nach und nach vom Regen und dem erbarmungslosen Gegenwind abgekühlt. Eine halbe Meile weiter hatte sich sein Galopp zum schnellen Schritt verlangsamt, und bald kostete auch dieser Mühe. An der Stelle, wo die Knochenhand sein Knie umklammert hatte, fühlte er das Gelenk steif werden wie ein verrostetes Scharnier; schmerzhafte Ringe um seinen Hals stachen bei jedem tiefen Atemzug.
»Morgenes … hat dich geschickt?«, rief er.
»Später, Simon«, japste Binabik. »Alles wird später erzählt.«
Sie rannten und rannten, stolperten und spritzten über den durchnässten Grasboden.
»Und was …«, keuchte Simon, »was waren das für … Wesen?«
»Die … euch angegriffen haben?« Selbst im Rennen machte der Troll eine seltsame Gebärde mit der Hand nach dem Mund. »Bukken … Gräber nennt man … sie auch.«
»Was sind sie?«, fragte Simon und wäre um ein Haar auf einer schlammigen Stelle ausgeglitten. Einen Augenblick lang rutschte er plattfüßig nach vorn.
»Übel.« Binabik verzog das Gesicht. »Nichts mehr, das jetzt erklärt werden müsste.«
Als sie nicht mehr rennen konnten, gingen sie, trotteten weiter, bis sich die Sonne hinter der Wolkenbank nach oben schob – eine Kerze hinter einem grauen Laken. Vor ihnen ragte der Weldhelm auf, und seine Umrisse zeichneten sich vor der bleichen Dämmerung ab wie die gebeugten Rücken betender Mönche.
Im kargen Schutz
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